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Managerhaftung - Die Frage nach der Verantwortung

Wer ist haftbar, wenn eine Gesellschaft Skandale und Verluste aushalten muss? Wer kommt für Schadenszahlungen auf? Und warum sind D&O-Versicherungen in Unternehmen unbeliebt? Ein Überblick.

Der Stahlriese ThyssenKrupp (WKN: 750000 ; ISIN: DE000750000) verlangte von dem, ehemals für das Management Konzerntochter GfT Gleistechnik verantwortlichen, Angestellten Uwe Sehlbach jüngst eine Schadensersatzzahlung in Höhe von 291 Millionen EUR. Hintergrund war der Vorwurf, dass Sehlbach Mitglied eines Schienenkartells gewesen sein soll - ein Vorwurf den Sehlbach stets bestritt. Anfang des Jahres kam es zwischen ThyssenKrupp und dem ehemaligen Angestellten zum Vergleich, der lediglich eine Zahlung in Höhe von zehn Prozent der geforderten Summe vorsah, die Sehlbach nicht einmal mit Eigenanteil leisten musste.

Unter Rechtsexperten gilt diese Einigung als vertane Chance rechtskräftig zu klären, ob Manager Geldbußen aus Kartellverstößen übernehmen müssen. Viola Sailer-Coceani, Expertin für gesellschaftsrechtliche Streitfälle zeigt sich darüber enttäuscht, dass ein “richtungsweisendes höchstrichterliches Urteil” bisher noch aussteht. Derartige Rechtsfälle spiegeln ein bemerkenswertes Verhältnis wieder, in welchem sich Unternehmen, Manager und Versicherer hinsichtlich widersprüchlicher Interessen befinden. So haben Unternehmen als Versicherungsnehmer und Manager als Versicherte im Streitfall alternierende Interessen. Unternehmen versichern in diesem Verhältnis auf eigene Kosten Angestellte für den Fall, dass diese ihrem Arbeitgeber einen Schaden zufügen. In Großschadensfällen sind die D&O-Versicherer oft in die Rechtsverteidigung involviert und bieten meist geringe außergerichtliche Zahlungen an. Sailer-Coceani weist darauf hin, dass sich neben der Haftungsfrage auch die Deckungsfrage stelle, da Policen häufig Vertragsausschlüsse enthielten. Weitere Ausschlusskriterien seien Verletzungen der Obliegenheiten seitens der Gesellschaften oder vorsätzliches oder wissentliches Handeln seitens der versicherten Manager. 

Bastian Finkel von der Kanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr zeigt Verständnis dafür, dass Gesellschaften oft mit ihren D&O-Versicherungen unzufrieden sind, da sich diese oftmals gegen sie selbst wenden. Dass die Versicherer im Schadensfall auch nicht ohne weiteres zahlen, liegt oftmals daran, dass sich versicherte Manager gegen erhobene Vorwürfe wehren und dass klare Haftungsfälle kaum auftreten. Deswegen können Unternehmen sich beinahe niemals mit ihren Maximalforderungen durchsetzen, was gegenüber Aktionären und der Öffentlichkeit nur schwer vermittelbar sei. 

Die D&O-Versicherung ist, aller Kritik zum Trotz, dennoch Standard in deutschen Unternehmen, da für Manager sonst die Gefahr zu hoch ist das eigene Vermögen zu verlieren. Sailer-Coceani erklärt, dass seit den 1990er Jahren für Vorstände und Aufsichtsräte das Risiko gestiegen ist für mögliche Fehler zur Verantwortung gezogen zu werden. Erst vor wenigen Monaten urteilte das Oberlandesgericht Hamm in der Streitsache um Arcandor, dass Aufseher die Arcandor-Vorstände nicht rechtzeitig auf Schadensersatz verklagt hätten und die Ansprüche damit hatten verjähren lassen. Die Ansprüche des Insolvenzverwalters gegen sechs ehemalige Vorstände in Höhe von 53,6 Millionen EUR sind laut Urteil gerechtfertigt. Wer welche Summen beisteuert und wie viel Geld dem Insolvenzverwalter zukommt bleibt indes offen. 

Der VW-Dieselskandal

Wie Versicherer, Manager und Unternehmen im Ernstfall aufeinander angewiesen sind zeigt sich am Beispiel des Volkswagen-Dieselskandals. Dieser Skandal kostete Volkswagen (WKN: 766403 ; ISIN: DE0007664039) 30 Milliarden EUR. Als Reaktion beauftragten die Wolfsburger unter anderem die Kanzlei Gleiss Lutz mit der Begutachtung des Sachverhalts, die sich über mehrere Jahre hinzog, um zu ermitteln, ob die Vorstände den Skandal hätten verhindern können oder selbst dafür verantwortlich waren. Letztendlich erhielt Volkswagen rund 288 Millionen EUR als Entschädigung von Versicherern und Managern. Die verantwortlichen Manager zahlten rund 18 Millionen EUR aus eigener Tasche. Die höchste Zahlung leistete Ex-VW-Chef Martin Winterkorn mit 11,2 Millionen EUR. Der ehemalige Audi-Chef Rupert Stadler zahlte etwa 4 Millionen EUR. Die Gesamtsumme ist in Deutschland bisher der größte gezahlte Summe in einem Haftpflichtfall.

Aufgrund neuer Umweltbestimmungen, juristischen Fragen in Bezug auf den Ukraine-Krieg und der Verschärfung des Lieferkettengesetzes kommen in Zukunft, laut Sailer-Coceani, neue Risiken auf Manager zu, da Verstöße mitunter teuer geahndet werden. Auch ein Zusammenbruch von Lieferketten kann schnell zum D&O-Streitfall werden, wenn in der Rückschau Vorwürfe gegen Manager erhoben werden. 

Die Branche kämpft auch zunehmend mit dem Problem von Hackerangriffen. Oft sind die Schäden immens und Manager, die sich nicht ausreichend um Sicherheitsmaßnahmen bemüht haben, können in Schadensfällen schnell in den Fokus rücken. Johannes Behrends, Experte für Cyberrisiken beim Versicherungsmakler Marsh, weist darauf hin, dass aufgrund der zunehmenden Cyberattacken Versicherer kaum noch gewillt sind mehr als 15 Millionen EUR Deckung anzubieten. Damit bleibt das Thema der Managerhaftung auch in Zukunft ein großer Streitpunkt.

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