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Ist das der Weg aus der Rohstoffkrise in Europa?

Fehlen wichtige Rohstoffe, könnte Deutschland seine Rolle als führender Industriestandort einbüßen. Die vorhandenen Ressourcen sind knapp, und eine wachsende Abhängigkeit von China droht. Dennoch gibt es potenzielle Lösungen.

Eine davon bietet möglicherweise “Remloy”, eine Tochtergesellschaft des Technologiekonzerns “Heraeus”. “Remloy” will Europa von China bei der Versorgung mit seltenen Erden unabhängig machen. Denn vieles hängt davon ab: die Digitalisierung, die Verkehrswende, der Umstieg auf erneuerbare Energien und die Bedeutung Europas als Industriezentrum. Immer mehr gilt: Wer die Kontrolle über die Gewinnung und Verarbeitung entscheidender Rohstoffe hat, besitzt auch geopolitischen Einfluss.

Derzeit werden etwa 90 Prozent der seltenen Erden, die für leistungsstarke Magnete benötigt werden, vor allem in Elektromotoren, in China weiterverarbeitet. David Bender von “Remloy” ist überzeugt, dass ab 2026 ein Mangel an diesen Magneten droht: „Europas Energie- und Mobilitätswende wäre dann gefährdet”. Das will “Remloy” mit einer leise arbeitenden Maschine verhindern: Sie ist der Schlüssel zur Wiederaufbereitung alter Neodym-Eisen-Bor-Magnete.

Auch bei Lithium und Kupfer drohen Versorgungsprobleme!

Engpässe drohen nicht nur bei seltenen Erden. Auch der Übergang zu erneuerbaren Energien und Elektrofahrzeugen erfordert große Mengen an Rohstoffen wie Kupfer und Lithium. Die Internationale Energieagentur (“IEA”) prognostiziert, dass die Nachfrage nach diesen kritischen Materialien bis 2030 auf das Dreieinhalbfache ansteigen könnte, wenn die Länder ihre Ziele zur CO2-Neutralität bis 2050 erreichen wollen. Selbst wenn nur die bisher angekündigten Maßnahmen umgesetzt werden, würde der Bedarf immer noch deutlich ansteigen und sich mehr als verdoppeln.

Daraus ergibt sich eine beinahe ironische Situation: Um den Klimawandel zu bekämpfen, sind enorme Rohstoffmengen nötig, doch die Gewinnung dieser Ressourcen verursacht selbst erhebliche CO2-Emissionen. In den letzten Jahren haben viele Unternehmen aus Sorge um ihre Umweltbilanz ihre Investitionen in diesen Bereich stark reduziert. Das hat zu einem erheblichen Rückstau geführt: Laut der Internationalen Energieagentur (“IEA”) sind bis 2040 Investitionen in Höhe von fast 800 Milliarden Euro erforderlich.

Während die Nachfrage nach Rohstoffen stark ansteigt, bleibt das Angebot unsicher: Die Europäische Union (EU) plant zwar Gegenmaßnahmen, doch der entscheidende Impuls muss von den Unternehmen selbst kommen. Nur ihre innovativen Ansätze könnten das Rohstoffproblem letztlich lösen.

Eine weitere potentielle Lösung aus der Rohstoffkrise bietet “Vulcan Energy”. Das Unternehmen hat sich zum Ziel gesetzt, eine klimaneutrale Zukunft durch die gleichzeitige Produktion von Lithium und erneuerbarer Energie aus geothermischer Sole zu ermöglichen. Die Anlage, die Lithium aus Thermalwasser gewinnen soll, erinnert an ein komplexes Lego-Modell. Verschiedene Abschnitte, voll von Behältern, Rohren und zahlreichen Ventilen, sind wie Bausteine miteinander verbunden. 

Das Verfahren, das in der modularen Anlage in Landau durchgeführt wird, nennt sich “DLE”, kurz für “Direct Lithium Extraction”. Mit dieser Technik können nun Lithiumvorkommen genutzt werden, die bisher unzugänglich waren. Jedes Förderprojekt ist aktuell von großer Bedeutung, da die Internationale Energieagentur (“IEA”) prognostiziert, dass der Lithiumbedarf bis 2040 auf das Neunfache steigen wird. Ein erheblicher Anteil dieser Nachfrage wird aus dem Sektor der Elektromobilität kommen.

Wer in der Elektroauto-Branche vorne mitspielen will, muss sich jetzt neue Lithiumquellen sichern. China ist hier bereits aktiv: In den letzten drei Jahren gingen laut der “IEA” 44 Prozent der globalen Investitionen in Lithium-Übernahmen (nach Wert) an chinesische Unternehmen. Diese Investitionen betrafen größtenteils Projekte, die sich noch in der frühen Erkundungs- und Entwicklungsphase befinden.

China hat sich mittlerweile als der drittgrößte Lithiumproduzent der Welt etabliert, nach Australien und Chile. Noch beeindruckender ist Chinas Einfluss in der Wertschöpfungskette: 

Über 60 Prozent der weltweiten Lithiumverarbeitung wird in China abgewickelt.

Wenn China oder ein anderer bedeutender Lithiumproduzent ausfällt, sei es aus politischen Gründen oder anderen Unwägbarkeiten, könnte Europas Umstellung auf nachhaltige Mobilität ernsthaft gefährdet werden. Daher sieht die deutsche Politik das Vulcan-Projekt in Landau mit positiver Erwartung – vor allem, da es mehrere Vorteile kombiniert: Vulcan Energy fördert das lithiumhaltige Thermalwasser durch Tiefengeothermie. Die dabei entstehende Wärme wird sowohl zur Beheizung als auch zur Stromerzeugung genutzt. Kein Wunder also, dass Geothermie als umweltfreundliche Alternative zu fossilen Energiequellen betrachtet wird. Doch ironischerweise regt sich gerade gegen diese Technologie Widerstand unter den Anwohnern in der Umgebung von Vulcan. Sie haben begonnen, Unterschriften gegen das Projekt zu sammeln, und mehrere Bürgerinitiativen entlang des Oberrheingrabens wurden gegründet. Diese Gruppen halten Geothermie für unsicher und befürchten unter anderem die Auslösung von Erdbeben.

Geologen und Geothermie-Experten sind sich hier allerdings relativ sicher, dass das Risiko überschaubar ist: Kleinere Erschütterungen sind zwar nicht völlig auszuschließen, bleiben aber meist unbemerkt. Geothermiekraftwerke verfügen zudem über Frühwarnsysteme und müssen einen strengen Genehmigungsprozess durchlaufen.

Dennoch haben viele Anwohner das Vertrauen verloren. Die Situation wurde durch einen Shortseller-Bericht im Jahr 2021 noch verschärft. In diesem Bericht wurden zwei zentrale Behauptungen Vulcans infrage gestellt: Erstens, dass das Unternehmen in der Lage sei, Lithium mit einer Effizienz von 95 Prozent aus dem Thermalwasser zu gewinnen, und zweitens, dass die Fließrate, also die Menge des geförderten Wassers pro Sekunde, bei 100 bis 120 Litern liege.

Mit diesen beiden Kennzahlen begründet Vulcan die Prognose, ab 2027 jährlich etwa 24.000 Tonnen Lithium fördern zu können, und in einer späteren Phase noch einmal dieselbe Menge. Dies würde laut Schätzungen des Öko-Instituts ausreichen, um den Lithiumbedarf Deutschlands für Batterien in neuen Fahrzeugen zu decken, der bis 2035 auf rund 25.000 Tonnen ansteigen könnte.

Der Shortseller hingegen hielt diese Annahmen für überzogen und unrealistisch. Zwar konnte Vulcan Energy sich erfolgreich rechtlich gegen den Bericht zur Wehr setzen, und der Inhalt wurde entfernt, doch Zweifel bleiben bestehen. Auch das Karlsruher Institut für Technologie (“KIT”) äußerte Bedenken hinsichtlich der Zielsetzungen des Unternehmens. Laut “KIT” sei eine jährliche Produktion von lediglich 2.600 bis 4.700 Tonnen Lithium realistisch, was nicht einmal ein Fünftel der von Vulcan für die erste Phase angepeilten Menge erreicht.

Vulcan Energy vertritt naturgemäß eine andere Position. „Die Berechnungen des KITs sind, ebenso wie jene von Vulcan, korrekt, jedoch unterscheiden sich die zugrunde gelegten Parameter“, erklärt Vulcans technischer Leiter Brand. Während das “KIT” fünf bestehende Anlagen zugrunde legt, berücksichtigt Vulcan elf geplante Produktionsbohrungen an sieben zusätzlichen Standorten.

Auch Branchenexperten räumen ein, dass eine Effizienz von 90 Prozent und Fließgeschwindigkeiten von bis zu 120 Litern pro Sekunde theoretisch machbar sind. Ein junges Unternehmen, das auf Investoren angewiesen ist, muss zwangsläufig mit den optimistischsten Prognosen werben. Zwar erreicht Vulcan bereits jetzt eine Effizienz von über 90 Prozent – allerdings nur unter Laborbedingungen. Ob diese Ergebnisse tatsächlich im großen Maßstab umgesetzt werden können, wird sich erst noch zeigen.

Ein weiteres Problem könnte aber der Faktor Zeit sein. Denn in der Rohstoffbranche sind die Zeiträume oft sehr lang. “Von der Exploration, also der Suche nach den Rohstoffen, bis zur Förderung kann es schon mal fünf bis zehn Jahre dauern“, erklärt Michael Waitz, Leiter des Teams für Metall- und Bergbauprojekte bei der “KfW Ipex”-Bank. Diese Tochter der staatlichen Förderbank “KfW” ist auf internationale Projekt- und Exportfinanzierungen spezialisiert und unterstützt Vorhaben, die aus ihrer Sicht im Interesse der deutschen und europäischen Wirtschaft liegen. Dazu gehören Energie- und Infrastrukturprojekte sowie der Import von Rohstoffen, die für die heimische Industrie von Bedeutung sind.

„Ein Fokus unserer Finanzierungen liegt bei Rohstoffprojekten mit Junior Minern als Sponsoren“, erklärt Michael Waitz. Diese Minen-Start-ups besitzen oft nur ein Förderrecht, also einen Claim, und haben einen erheblichen Bedarf an Finanzierung sowie Planungssicherheit. Um solche Projekte zu unterstützen, bietet der Bund den Kreditgebern Zahlungsausfallgarantien, die sogenannten UFK-Garantien, an. Diese Garantien werden allerdings nur gewährt, wenn der Junior Miner einen langfristigen Rohstoffliefervertrag mit einem deutschen Abnehmer abgeschlossen hat. Laut Waitz sichern sich aktuell nur wenige Unternehmen größere Rohstoffmengen auf diesem Weg. Das verdeutlicht, dass Europa im Wettlauf um Mineralien derzeit klar hinter China zurückbleibt. Besonders deutlich wird dieser Rückstand bei seltenen Erden.

Rettet “Remloy” Deutschlands Autoindustrie?

Ende Juni sorgte die Ankündigung der chinesischen Regierung für Unruhe in der europäischen Elektromobilitäts- und Energiebranche: Ab dem 1. Oktober plant Peking, die Kontrolle über den Abbau, die Verarbeitung und den Handel mit seltenen Erden erheblich zu verschärfen. Was dies genau für die chinesischen Unternehmen und ihre europäischen Geschäftspartner bedeutet, ist derzeit noch unklar. Selbst Branchenkenner können nur spekulieren, wie die neuen Maßnahmen in den kommenden Monaten umgesetzt werden. Ein Beispiel ist der Rohstoffhändler “Tradium” aus Frankfurt. Das mittelständische Unternehmen lagert in einem ehemaligen Weltkriegsbunker strategische Metalle, darunter Praseodym, Neodym, Terbium und Dysprosium – vier seltene Erden mit entscheidenden magnetischen Eigenschaften, die für Windräder, Elektromotoren und Smartphones unverzichtbar sind. “Tradium” kauft seit 1999 diese Metalle und lagert sie ein, um auch bei unterbrochenen Lieferketten weiterhin lieferfähig zu bleiben. 

Jan Giese, Senior Manager für seltene Erden bei “Tradium”, sieht in Chinas Vorgehen eine langfristig angelegte Strategie. Das Ziel sei klar: die vollständige Kontrolle über die gesamte Lieferkette für Magnete zu sichern. Der Vorsprung, den China dabei erzielt hat, sei enorm: „Um den Rückstand gegenüber China aufzuholen, braucht der Westen mindestens zehn Jahre.“

Der größte Nachholbedarf besteht aber nicht bei der Rohstoffförderung, sondern bei der Weiterverarbeitung. Aktuell gibt es weltweit nur drei Raffinerien außerhalb Chinas, die seltene Erden im industriellen Maßstab verarbeiten. Eine davon befindet sich in Europa, betrieben von “Neo Performance” in Estland. Doch es gibt ein weiteres Projekt, das Europas Stellung in der Mitte der Lieferkette stärken könnte. 

Das Recycling von seltenen Erden birgt enormes Potenzial: Mehr als 30 Prozent des bis 2050 erwarteten Bedarfs könnten durch recycelte Materialien gedeckt werden. Die Verarbeitung seltener Erden ist jedoch besonders CO2-intensiv und erzeugt erhebliche Mengen an gefährlichem Abfall. Pro Tonne seltener Erden entstehen bis zu 2000 Tonnen radioaktive Rückstände. Angesichts dieser Umweltauswirkungen sollte das Interesse an recycelten Seltenerd-Magneten groß sein. Doch “Remloy”-Co-Leiter David Bender sieht noch erheblichen Handlungsbedarf.

China hat durch Subventionen die Preise für Seltenerd-Produkte so stark gesenkt, dass es für westliche Unternehmen kaum attraktiv ist, in den Markt einzutreten. Ohne die Bereitschaft der Unternehmen, für westlich produziertes Material einen höheren Preis zu zahlen, wird Europa seine Abhängigkeit von China nicht verringern können. Bender fordert daher, dass Politik und Industrie, trotz der höheren Kosten, Recycling unterstützen müssen, um die Unabhängigkeit europäischer Industrien langfristig zu sichern.

Erst allmählich erkennt die Politik die Dringlichkeit des Themas. Zwar hat die EU den “Critical Raw Materials Act” auf den Weg gebracht, der ab 2030 vorschreibt, dass nicht mehr als 70 Prozent des jährlichen Bedarfs an strategischen Rohstoffen aus einem einzigen Drittstaat gedeckt werden dürfen. Allerdings fehlt bislang ein klares Finanzierungskonzept.

Auch Deutschland plant, Mittel bereitzustellen – durch einen Rohstofffonds, der es der Förderbank “KfW” ermöglichen soll, sich direkt an Projekten zu beteiligen. Der Fonds soll ein Volumen von einer Milliarde Euro haben – zwar keine große Summe, aber ein erster Schritt. Doch selbst dieser Fonds steht auf der Kippe. Das Finanzministerium blockiert derzeit die Pläne.

Iridium-Mangel? “Enapter” stellt sich dagegen!

Eine weitere potentielle Lösung aus der Rohstoffkrise wäre, den kritischen Rohstoff einfach zu vermeiden. Das deutsche Unternehmen “Enapter” zeigt, wie das möglich ist. Ein Hoffnungsträger für die Energiewende ist das Herzstück eines sogenannten “AEM-Elektrolyseurs”, der sogenannte “Stack”. Die Produktion dieser “Stacks” erfordert viel Handarbeit. “Enapter” verwendet die Technologie der Elektrolyse. Bei diesem Verfahren wird Wasser durch elektrischen Strom in Wasserstoff und Sauerstoff aufgespalten. Der Fokus des Unternehmens hat sich inzwischen auf größere Elektrolyseure im Megawatt-Bereich verlagert. “Enapter” ist für die Industrie trotz seiner vergleichsweise kleinen Produktionsmengen von Interesse, weil seine Technologie ohne Iridium auskommt. Der Markt für Iridium ist bereits jetzt, ohne den zukünftigen Ausbau von grünem Wasserstoff, stark angespannt. Iridium fällt als Nebenprodukt bei der Förderung von Platin und Palladium an, die hauptsächlich in Fahrzeugkatalysatoren verwendet werden. Mit dem bevorstehenden Ende der Verbrennungsmotoren wird die Nachfrage nach Platin und Palladium jedoch sinken, was auch die Förderung von Iridium reduzieren wird. Für Bergbauunternehmen lohnt es sich nicht, Iridium separat zu fördern.

Die Tatsache, dass “Enapter” eine Lösung ohne Iridium bietet, wird in der Wasserstoff-Branche positiv aufgenommen. Dennoch betonen Branchenkenner und Wissenschaftler, dass “Enapter” noch zeigen muss, dass die “AEM-Elektrolyse” über eine Nischenanwendung hinausgehen kann.

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