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Die europäische Buddel-Offensive

Europa möchte wieder in den Rohstoffabbau einsteigen, um Abhängigkeiten zu verringern. Es regen sich aber mehrere Widerstände.

Seit kurzem wird in Landau von Vulcan Energy Lithium aus dem Boden gegraben. Mit einer Demonstrationsanlage will das Unternehmen jährlich 40 Tonnen Lithium fördern. Mit der kommerziellen Anlage soll die Kapazität in zwei Jahren auf 24.000 Tonnen steigen. Autokonzerne und Batteriehersteller gehören bereits zu den Kunden des Start-Ups. 

Der Bergbau erlebt derzeit eine Renaissance, da europäische Staaten erkannt hätten, wie Vulcan-Gründer Horst Kreuter meint, dass sie die Abhängigkeit von Lieferanten aus anderen Erdteilen verringern müssen. “Wenn China uns den Lithiumhahn abdreht, hat unsere Automobilindustrie ein unlösbares Problem“, warnt der Unternehmer.

Mit dem “Critical Raw Materials Act“ forciert die EU-Kommission das Ziel, bis 2030 zehn Prozent des jährlichen Bedarfs an strategisch wichtigen Rohstoffen aus dem heimischen Bergbau zu decken, sofern diese in Europa zu finden sind.

Bei Lithium und seltenen Erden liegt Europas Förderanteil allerdings derzeit bei null Prozent. Mit dem Gesetz werden 16 Rohstoffe als strategisch wichtig eingestuft. Darunter etwa Kupfer und Nickel, aber auch Rohstoffe wie Germanium oder Gallium, die wegen chinesischer Exportrestriktionen erst seit Kurzem für die Öffentlichkeit interessant sind, da sie entscheidend für viele Hightech-Produkte und grüne Technologien sind.

Der Chef des staatlichen schwedischen Bergbaukonzerns LKAB, Jan Moström, verkündete jüngst den größten Fund seltener Erden in Europa. Das Vorkommen bei Kiruna nördlich des Polarkreises wird auf mehr als eine Million Tonnen geschätzt. Aufgrund der steigenden Nachfrage könnte sich der teure Abbau mittlerweile lohnen. Allerdings wäre das erst in 15 Jahren möglich.

In Schweden liegen gleichfalls die größten Graphitvorkommen Europas. Der Rohstoff ist elementar für die Akkuherstellung. Die australische Firma Talga (WKN: A1C0Q2 ; ISIN: AU000000TLG7) hat bereits Förderrechte bei der Ortschaft Vittangi erworben und will 2025 mit der Produktion beginnen. Das Vorkommen wird auf drei Millionen Tonnen geschätzt. Der Bedarf liegt, mit steigender Tendenz, in der EU aktuell bei 125.000 Tonnen pro Jahr.

In Griechenland will der Konzern Mytilineos (WKN: 934398 ; ISIN: GRS393503008) ein großes Galliumvorkommen abbauen. Europa importiert aktuell 97 Prozent des Bedarfs. Unternehmenschef Evangelos Mytilineos schätzt, dass er die gesamte EU-Nachfrage nach Gallium decken könnte.

Mehrere Firmen planen in Deutschland die Förderung von Lithium. Das Start-up Zinnwald vermutet im Erzgebirge bis zu 125.000 Tonnen Lithium. Die EU-Kommission zählt aktuell rund tausend Bergbauprojekte, von denen 130 in einem fortgeschrittenen Stadium sind, erklärt eine Sprecherin. Die Behörde gibt sich zuversichtlich, mit den bestehenden und geplanten Projekten das Zehn-Prozent-Ziel bis 2030 zu erreichen.

Experten sehen dieses Ziel kritisch, nicht zuletzt aus Umweltgründen. „Das Zehn-Prozent-Ziel der EU liegt in weiter Ferne“, sagt Jan Giese vom Frankfurter Rohstoffhändler Tradium. Vor allem die Genehmigungsprozesse seien bisher noch unsicher und die höheren Standards in der EU sorgen für hohe Kosten. 

Eric Pirard, Geologieprofessor an der Universität Lüttich in Belgien, warnt ebenfalls: „Wir sollten in naher Zukunft nicht zu viel erwarten. Es gibt Potenzial in Europa, aber bei der Erforschung der Vorkommen sind wir weit hinterher.“

Vor allem politisch bilden sich Widerstände gegen Abbauprojekte in Europa. Gegen den Lithiumabbau regt sich in Deutschland vielerorts Widerstand. Eine Bürgerinitiative aus Neustadt an der Weinstraße konnte fast 2000 Unterschriften gegen das Vulcan-Energy-Projekt sammeln. Die Unterzeichner fürchten eine Verunreinigung des Grundwassers und Erdbeben in der Region. 

In Österreich stellen sich ähnliche Fragen. So etwa in Frantschach-St.Gertraud, wo der Abbau des Unternehmens European Lithium von 2016 auf 2025 verschoben wurde. Der sozialdemokratische Bürgermeister Günther Vallant äußert noch Bedenken: „Wir haben Fragen, beispielsweise die, welche Folgen der Abbau für das Trinkwasser hat und wie das Lithium abtransportiert wird.“

Auch hohe Kosten sind ein Problem. Aufgrund hoher Auflagen ist der Abbau in Europa teuer. Der Konzern Rio Tinto hat aus Kostengründen zuletzt ein Lithiumvorhaben in Serbien aufgegeben. Für europäische Konzerne ist vor allem die chinesische Konkurrenz ein Problem, da sie günstiger produzieren kann. Erst angesichts steigender Preise wird über eine Wiederaufnahme der an vielen Stellen stillgelegten Abbauprodukte nachgedacht. 

Unternehmen halten deswegen Subventionen für notwendig. Der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) plädiert für einen europäischen Rohstofffonds und verweist auf die USA, wo Bergbauunternehmen schon jetzt dank des „Inflation Reduction Act“ (IRA) zehn Prozent ihrer Kosten abschreiben könnten. Auch Tradium-Experte Giese meint, dass der Mehraufwand der Firmen in Europa finanziert werden müsse, „etwa durch günstige staatliche Kredite“. Besonders für Start-ups wie Zinnwald stellt sich die Frage nach der Finanzierung von Abbauprojeken, die den Marktwert der Unternehmen oft um ein Vielfaches übersteigen. 

Mit dem „Critical Raw Materials Act“ möchte die Kommission einige Hürden aus dem Weg räumen. So soll die Genehmigung von Abbauprojekten auf zwei Jahre verkürzt werden. Gleichzeitig ist es den Nationalstaaten erlaubt, heimische Firmen zu subventionieren. Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) plant in Deutschland einen staatlichen Rohstofffonds, der Projekte unterstützen, sich aber auch selbst beteiligen soll. Im Klima- und Transformationsfonds (KTF) sind dafür bereits 400 Millionen Euro, vor allem für Forschungsvorhaben, reserviert. Der Minister hat vor ein paar Wochen eine Rohstoffallianz mit Frankreich und Italien besiegelt, damit Deutschland in Europa nicht von der Rohstoffförderung abgehängt wird. 



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