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Welche Chancen sich aktuell bieten

Trotz robuster Aktienmärkte zeigen sich Expert:innen skeptisch. Welche Möglichkeiten sie Anleger:innen empfehlen.

Obwohl die Aktienkurse in Europa und den USA sich robust zeigen und der Dax sogar Rekordstände erreichen kann, ist die Laune von professionellen Anleger:innen schlecht. Hintergrund sind unter anderem neuerliche Ankündigungen von Zinserhöhungen seitens der  US-Notenbank Fed und der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Investor:innen fahren deswegen eine vorsichtige Strategie. Um Chancen zu nutzen, bleiben sie in Aktien und Anleihen investiert, sind aber mit Liquiditäten gegen Risiken abgesichert. 

„Die bislang positive Entwicklung an den Märkten ist kein Grund, in Euphorie zu verfallen“, so Christoph Schmidt, Leiter des Total-Return-Teams beim Fondshaus DWS. Das Risiko einer wirtschaftlichen Abschwächung wird seiner Ansicht nach womöglich unterschätzt, da sich die Bremswirkungen der Zinserhöhungen in den USA und Europa noch nicht völlig entfaltet hätten. 

Jens Ehrhardt von DJE Kapital teilt diese Auffassung. Viele Exptert:innen raten derzeit zu europäischen Aktien aus weniger konjunktursensiblen Sektoren und zu Firmenbonds mit guter Qualität und mittlerer Laufzeit. Privatanleger:innen können auch auf attraktivere Angebote für Festgeld zugreifen. 

Die Zahlen des Bruttoinlandsproduktes zeigen eindeutig, dass nicht nur in Deutschland, sondern in der gesamten Eurozone die Wirtschaft im ersten Quartal geschrumpft ist. Die Konjunkturabschwächung dürfte sich fortsetzen, da die EZB die Inflation weiterhin bekämpfen will. 

Investoren wie Ulrich Kaffarnik, Vorstand bei DJE, raten dazu, sich „defensiv aufzustellen“, also auf Aktien zu setzen, die wenig anfällig für konjunkturelle Schwankungen sind. Damit sind Basiskonsumgüter wie Lebensmittel, Haushaltsverbrauchsgüter und Gesundheitsaktien gemeint, da sich diese Sektoren als robust erweisen dürften.

Von der DZ Bank kommen ähnliche Empfehlungen. Im Vergleich zum breiten europäischen Markt haben sich diese Sektoren nur wenig erholt. Die Subindizes Stoxx 600 Food & Beverages und Health Care legten lediglich rund vier beziehungsweise acht Prozent zu, während der Stoxx 600 Europe seit Jahresbeginn um rund zehn Prozent geklettert ist. Analysten raten derzeit vor allem bei Nestle (WKN: A0Q4DC ; ISIN: CH0038863350) und Sanofi (WKN: 920657 ; ISIN: FR0000120578) zum Kauf. 

Luca Paolini, Chefanlagestratege von Pictet Asset Management, hält europäische Unternehmen insgesamt für interessant, da sie um 15 bis 20 Prozent günstiger bewertet seien als die globalen Aktienmärkte. Chefanlagestratege Björn Jesch von der DWS meint, dass sich die Unternehmensgewinne in Europa besser als erwartet entwickeln würden.

Michael Herzum, leitender Stratege beim Fondshaus Union Investment, weist darauf hin, dass Infrastrukturaktien und Industriepapiere zum Teil von einer Neuordnung der Lieferketten, der Rückansiedlung von Industrie im Westen und dem beginnenden grünen Umbau der Wirtschaft profitieren. Vor allem japanische und europäische Unternehmen profitieren davon. 

Auf längere Sicht bieten Zinspapiere allerdings wieder attraktive Dividenden. „Mit einer Rückkehr in das Niedrigzinsumfeld der letzten Dekade rechnen wir nicht“, erläutert Sören Hettler, Leiter Anlagestrategie für Privatkunden bei der DZ Bank

Aufgrund der angekündigten Zinserhöhungen der EZB raten die meisten Strategen zu Bonds mit kürzeren bis mittleren Laufzeiten, die in diesem Umfeld geringere Risiken bergen. Bei hoher Bonität erzielten Firmenbonds mit Laufzeiten bis zu fünf Jahren rund vier Prozent Rendite im Jahr, so Herzum. 

Paolini von Pictet und Kaffarnik von DJE empfehlen solide Unternehmensanleihen mit einem sogenannten Investmentgrade-Rating, da diese Papiere bei einer Rezession weniger gefährdet seien als Firmenbonds mit hohen Zinsen und schwacher Bonität. Die DZ Bank präferiert Anleihen von Banken und Pfandbriefe. Hinter Pfandbriefen stehen besicherte Hypothekenkredite. Diese Kredite gelten als sicher und bringen trotzdem mehr Rendite als Staatsanleihen. 

Nach Abzug der erwarteten Inflation stellen Strategen sogar wieder positive Renditen in Aussicht. „Wir rechnen auf Sicht von zwölf Monaten für viele Anlageklassen mit positiven Realrenditen“, sagt Jesch von der DWS. für 2024 erwartet die EZB nur noch eine Teuerung von 3,1%, 2025 soll die Inflation auf 2,3% fallen. Deutsche Staatsanleihen mit einer Laufzeit von zwei Jahren mit ihrer Rendite von aktuell 3,2 Prozent brächten nach diesen Rechnungen bereits wieder eine positive Realrendite.

Auch um die Risiken eines Aktienportfolios abzufedern, sind Anleihen wieder interessant, was besonders für sichere Staatspapiere gilt. Vor allem sind sie gefragt, wenn die Kurse in einer Rezession fallen. Da die rasch steigenden Zinsen Anleihen und Aktien gleichzeitig unter Druck setzen, wurde diese Sicherheit im letzten Jahr außer Kraft gesetzt. 

Allerdings ist diese Phase wieder vorbei. „Anleihen mit hoher Qualität sollten wieder einen guten Schutz für ein Aktienportfolio bilden“, sagt daher Rich Clarida, Chefvolkswirt der Fondsgesellschaft Pimco. Er sieht die Chance, „Sicherheit und zugleich positive Renditen zu bekommen“. 

Aufgrund der Gefahr von Rückschlägen sind Anleger:innen geraten, einen Teil ihres Kapitals zurückzuhalten, da ein solcher Puffer nach einer Korrektur auch für Nachkäufe genutzt werden kann. 

Für Privatanleger werden auch Bankkonten wieder interessanter, da sich die Zinsen für das Tagesgeld an den Leitzinsen orientieren. Seit Jahresbeginn haben sich die Zinsen auf 1,4% verdoppelt. „Wer Konditionen vergleicht, kann deutlich mehr bekommen“, meint Ania Scholz-Orfanidis von der Frankfurter Finanzberatung FMH.  Laut Verivox bieten 23 Banken mittlerweile Zinsen über drei Prozent an. 

Die Commerzbank-Tochter Comdirect zahlt 3,25% Zinsen, der Broker Consorsbank 3,2%. Diese Zinsen gibt es allerdings nur für Neukunden über sechs Monate und für Beträge bis 100.000 EUR. Aber auch Bestandskunden bekommen bessere Konditionen als noch vor einigen Monaten. Die BMW Bank zahlt etwa drei Prozent für Tagesgeld bis zu einer Anlagesumme von 50.000 Euro. 

Die Bankhäuser verdienen daran wieder. Sie erhalten seit Donnerstag von der EZB 3,5% Zinsen, wenn sie dort überschüssiges Geld lagern. Die estnische Bigbank zahlt derzeit Rekordzinsen in Höhe von 3,4% auf Tagesgeldkonten. Anleger:innen müssen aber den auf 100.000 Euro begrenzten gesetzlichen Einlagenschutz der EU hinnehmen. In Deutschland sind aber Gelder in Millionenhöhe von der Einlagensicherung geschützt. 

Für Anleger:innen scheint es derzeit am sinnvollsten, ihre Liquidität flexibel in Tagesgeld zu parken statt länger festzulegen, da seitens der EZB mit weiteren Leitzinssteigerungen zu rechnen ist. Laut Scholz ist damit zu rechnen, dass einzelne Anbieter noch im laufenden Jahr Zinsen in Höhe von 5% anbieten werden. 

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