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Tech-Rallye verliert an Schwung

US-Investoren gehen neue Wege

Die US-Aktienmärkte setzen ihre Rekordfahrt fort, wobei der Antrieb für diese Rally zunehmend über den KI-Enthusiasmus und die “Big Seven” hinausgeht.

Der breit gefasste “S&P 500-Index” verzeichnete sowohl am Mittwoch als auch am Donnerstag neue Höchststände, was den anhaltenden Aufwärtstrend der US-Börsen unterstreicht. Interessanterweise werden diese neuen Rekorde ohne signifikante Beiträge von Aktien erreicht, die im Vorjahr maßgeblich die Marktentwicklung bestimmten: So mussten beispielsweise die Anteile von “Apple” in diesem Jahr einen Rückgang um elf Prozent hinnehmen, “Tesla” verzeichnete sogar einen Wertverlust von 30 Prozent, und “Alphabet” verzeichnete nur ein Plus von fünf Prozent und blieb damit hinter dem Gesamtmarkt zurück. Diese Unternehmen gehörten zusammen mit “Microsoft”, “Amazon”, “Nvidia” und “Meta” zu den “Glorreichen Sieben”, die im Jahr 2023 für mehr als die Hälfte der Kursgewinne im “S&P 500” verantwortlich waren.

Rob Ginsberg, Analyst bei “Wolfe Research”, stellt fest: „Die Breite der Rally nimmt stetig zu, während die Glorreichen Sieben nach und nach die Führung abgeben.“ Die Tatsache, dass der Markt jetzt auch ohne die Unterstützung dieser Marktschwergewichte wächst und der “S&P 500” Rekordniveaus erreicht, ist einer Umschichtung zu verdanken, die aktuell an der Wall Street stattfindet – und beeinflusst wird durch Donald Trump.

Die sektorale Verschiebung zeigt sich deutlich in der Entwicklung: Im Januar konnte der “S&P 500” um 1,4 Prozent zulegen, obwohl sechs von elf Sektoren Wertverluste verzeichneten. Die starken Zuwächse in den beiden Technologiebereichen Kommunikationsservice (plus 4,9 Prozent) und Informationstechnologie (plus 3,9 Prozent) glichen dies jedoch mehr als aus.

Im März stieg der “S&P 500” bereits um fast drei Prozent – auch deshalb, weil jetzt neun von elf Sektoren Zuwächse verzeichnen. An der Spitze der Gewinner stehen nun nicht mehr die Technologiebranchen, sondern die Sektoren Energie und Grundstoffe. Der Kommunikationsservice ist auf den dritten Platz zurückgefallen, und die Informationstechnologie findet sich sogar auf Rang neun wieder.

Anleger suchen nach Alternativen zu Technologieaktien

Die Dynamik des Marktes im März im Vergleich zum Januar zeigt, dass die Wachstumsraten in den Technologiebereichen nachlassen, während mit Ausnahme des Gesundheitswesens alle anderen Branchen aktuell bessere Leistungen zeigen.

Diese Veränderung spiegelt sich auch in den Portfolios professioneller Anleger wider, wie aus Daten der Investmentbank Goldman Sachs hervorgeht. Im “Goldman Sachs Hedge Fund VIP Index”, der die Portfolios von 95 Investment- und Researchprofis analysiert, dominieren zwar immer noch KI-Spitzenreiter wie der Halbleiterhersteller “Nvidia” oder der Anbieter von Rechenzentrumsausrüstungen “Vertiv”. Unter den Top-Ten finden sich jedoch nun auch Unternehmen aus anderen Branchen, darunter die Großbank “Citigroup”, der Energiekonzern “Pioneer Natural Resources”, der Industrieausrüster “API Group” und der Baustoffhersteller “Builders First Source”.

Laut einer aktuellen Umfrage der “Bank of America” unter nahezu 200 Investoren, die zusammen ein Vermögen von 527 Milliarden Dollar verwalten, versuchen die Fachleute sogar aktiv, den Anteil der Technologieaktien in ihren Portfolios zu verringern. Zwar liegt der Anteil der Fondsmanager, die Technologieaktien überdurchschnittlich gewichten, noch bei 26 Prozent, im Februar waren es jedoch 36 Prozent – ein Hoch, das zuletzt im August 2020 erreicht wurde.

Bedenken hinsichtlich einer KI-Blasenbildung

Die aktuelle Begeisterung für die rasante Entwicklung im Bereich der Künstlichen Intelligenz (KI) weckt bei vielen die Befürchtung, dass die Aktienkurse im Technologiesektor zu schnell ansteigen und somit eine Blase entstehen könnte. Eine Umfrage zeigt, dass bereits 40 Prozent der Befragten Anzeichen einer Blase erkennen.

Obwohl die Bewertungen in den Sektoren IT und Kommunikationsservice noch nicht die extremen Höhen der Dotcom-Blase um die Jahrtausendwende erreicht haben, sind die Preise dieser Aktien bereits merklich gestiegen. Das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (“KGV”) dieser Technologiebereiche beträgt 33, was 64 Prozent über dem langjährigen Durchschnitt von 20 liegt.

Andere Branchen bieten hingegen attraktivere Preise. Ihr durchschnittliches “KGV” beläuft sich auf 21, verglichen mit einem historischen Mittelwert von 18, was sie gegenwärtig als vergleichsweise vorteilhaft erscheinen lässt. Branchen wie Energie, Rohstoffe, Finanzen und Industrie ziehen Vorteile aus der Erwartung eines sogenannten „Soft Landings“ der US-Wirtschaft. Die Indikatoren deuten derzeit darauf hin, dass die USA einer Rezession entgehen könnten, trotz der höchsten Zinssätze seit über zwei Jahrzehnten.

Der US-Arbeitsmarkt zeigt sich robust mit neuen Stellenangeboten und einer niedrigen Arbeitslosenquote von 3,7 Prozent. Die starke Nachfrage nach Arbeitskräften führt dazu, dass die Löhne schneller steigen als die Inflation, was das reale Einkommen erhöht. Darüber hinaus haben die US-Verbraucher noch Zugriff auf Ersparnisse von 200 Milliarden US-Dollar aus Pandemie-Hilfszahlungen, die für Konsumausgaben zur Verfügung stehen, wie eine Studie der Bostoner Niederlassung der US-Zentralbank zeigt.

Aussichten auf anhaltendes Wirtschaftswachstum

Dieses Szenario skizziert ein ideales Wirtschaftsumfeld, bekannt als das “Goldlöckchen-Szenario”, mit einer kontinuierlich wachsenden Wirtschaft, einem starken Arbeitsmarkt, erhöhter Kaufkraft der Konsumenten sowie stabilen Inflations- und Zinsraten, erklärt Julian Howard von GAM Investment. “Aus Sicht des Aktienmarktes dürfte all dies auch für die Unternehmensgewinne hilfreich sein.”

Auch kleinere Unternehmen, bekannt als Small Caps, erleben derzeit ein Revival, wie Ginsberg feststellt. Der “Russell 2000 Index”, der solche Unternehmen abbildet, stieg innerhalb von vier Wochen um vier Prozent auf fast 2100 Punkte. Ginsberg betrachtet das derzeitige Momentum des Index als stark und sieht keinen Überkauf. Er schätzt, dass es eine “sichere Wette” sei, dass der “Russell 2000” seine Gewinne auf bis zu 2200 Punkte steigern könnte. Doch die Wiederbelebung der sogenannten “Old Economy” in Sektoren wie Energie, Banken und Industrie hat einen weiteren Grund, meint Anlagestratege Sven Streibel von der “DZ Bank”: 

Die potenzielle Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten.

Unabhängig davon, ob Trump letztlich gewählt wird, sind die damit verbundenen Entwicklungen und möglichen Auswirkungen laut Streibel bereits in unternehmerischen Entscheidungen sowohl im Inland als auch international berücksichtigt und spiegeln sich somit auch im Aktienmarkt wider. Der “Trump-Trade” sei somit in vollem Gange und könne den aktuellen KI-Boom an der Börse ersetzen. Trump steht noch stärker als der aktuelle US-Präsident Joe Biden für eine expansive Wirtschaftspolitik der USA. “Zyklische Sektoren, sprich die ‚Old Economy‛ außerhalb von Tech dürften davon profitieren. Wir sehen es daher als an der Zeit, den gleichgewichteten S&P 500 hervorzuheben.

In diesem Index werden alle 500 gelisteten Unternehmen gleich gewichtet, im Gegensatz zum traditionellen “S&P 500”, bei dem die Gewichtung nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen erfolgt. Im letzten Jahr war dies ein signifikanter Vorteil für den “S&P 500”, da die großen Technologieunternehmen wie “Apple”, “Amazon”, “Alphabet”, “Meta”, “Microsoft”, “Nvidia” und “Tesla”, die zusammen etwa 30 Prozent des Index ausmachen, stiegen und den gesamten “S&P 500” nach oben zogen, während viele andere Aktien stagnierten oder fielen. Da sich die Rallye nun verbreitert und mehr Aktien steigen, holt der gleichgewichtete Index auf.

Zwei Risiken für die Marktrallye

Diese Woche erreichte der gleichgewichtete “S&P 500” mit mehr als 6800 Punkten einen neuen Höchststand. Das Wachstum seit Beginn des Jahres beläuft sich auf moderate sechs Prozent, wobei der Großteil der Zuwächse erst im März erzielt wurde.

Dennoch sind zwei wesentliche Risiken für den Fortbestand der Rallye nicht von der Hand zu weisen: Erstens ist es fraglich, ob der Markt auch ohne die Unterstützung seiner bisherigen Zugpferde, den “Glorreichen Sieben”, weiterhin wachsen kann. Der Fondsmanager David Wehner von “Do Investment” zeigt sich in dieser Hinsicht zurückhaltend: “Aus den ‚Glorreichen Sieben' sind mittlerweile die ‚Fabelhaften Vier' geworden, da Apple, Alphabet und Tesla gegen den Trend des Nasdaq 100 fallen. Diese Kapitalmarktstruktur stimmt mich vorsichtig.”

Zweitens bleibt abzuwarten, ob und in welchem Ausmaß die US-Zentralbank “Fed” die Zinsen in diesem Jahr wirklich senken wird. Der unabhängige Kapitalmarktexperte Ed Yardeni äußert sich dazu: “Wir gehen nach wie vor davon aus, dass es entweder keine Zinssenkung in diesem Jahr geben wird oder höchstens zwei nach den Präsidentschaftswahlen am 5. November.” In einem solchen Fall könnten die anhaltend hohen Zinssätze weiterhin eine Belastung für die Wirtschaft darstellen, wodurch das prognostizierte „Goldlöckchen-Szenario“ in Zweifel gezogen werden könnte.

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