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Private Equity in Schieflage?

Finanzinvestoren stehen vor vielen Herausforderungen, vor allem das Krisenjahr 2022 trägt dafür die Verantwortung.

Private Equity ist in der Finanzbranche der Zweig, der in den letzten Jahren am meisten gewachsen ist. Laut dem Datenanbieter Preqin beläuft sich allein das noch nicht investierte Kapital dieser Fonds, mit dem Unternehmen oder Konzernteile gekauft werden, um sie zu restrukturieren, zu entwickeln oder weiterzuverkaufen, auf 1,7 Billionen US-Dollar. 

Im Bereich M&A sind diese Fonds zu wichtigen Marktteilnehmern geworden. Ihr Anteil am Transaktionsmarkt lag in den letzten Jahren bei 25 bis 37 Prozent, bis das Krisenjahr 2022 dem ein Ende gesetzt hat. Laut den Daten von Refinitiv lag der Anteil der Finanzinvestoren im deutschen M&A Geschäft bei lediglich 20% und international nur bei 22%. Die Branche steckt in Schwierigkeiten, da steigende Zinsen große Kredite unattraktiv machen. Gleichzeitig sind die Portfolios voll mit sanierungsbedürftigen Firmen. 

Eigentlich sollten Private-Equity-Fonds auch in schwierigen Zeiten Kapital für Übernahmen und Verkäufe bieten. Zuletzt galten sie als wahrscheinlichste Käufer von Lufthansa-Anteilen (WKN: 823212 ; ISIN: DE0008232125) oder von den Medienrechten der Deutschen Fußball Liga. Laut einer Umfrage des Handelsblattes, nennen Investmentbanker, Berater und Juristen die folgenden vier Punkte, die derzeit für die Branche problematisch sind:

Steigende Zinsen 

Die Nullzinspolitik der Notenbanken hat sich bisher für das Geschäftsmodell ausgezahlt, da günstige Finanzierungsbedingungen die Übernahmefinanzierungen billig machten. Die übernommenen Firmen wurden mit Schulden beladen, die sie aufgrund der geringen Zinslast einfach bedienen konnten. Mit der Inflation und der Zinswende konnte sich dieser Vorteil aber nicht halten. 

Dabei verlangen Banken keine höheren Zinsen, sondern geben vielmehr keine Hochzinsdarlehen mehr aus, aus Angst, dass diese nicht verlustfrei an andere Kreditgeber weitergereicht werden können. Bisher sind noch Kredite im Wert von mehr als 60 Milliarden EUR nicht syndiziert, so auch mehrere Milliarden aus Elon Musks Twitter-Übernahme. 

Eine Umfrage von Mergermarket und der Kanzlei Dechert unter Branchen-Topmanagern ergab, dass 37% der Befragten in Europa und 42% der Befragten in Nordamerika die Verfügbarkeit und Kosten von Krediten für das größte Problem halten.

Sven Baumann, Leiter des Investmentbanking-Geschäfts von Barclays im deutschsprachigen Raum, befürchtet, dass Bieter keine Schulden mehr aufnehmen können und deswegen keine hohen Preise mehr zahlen werden. Allein wenn Verkäufer sich auf niedrige Preise einlassen, würden neue Deals zustande kommen. Dass sich die Preise dieser Tatsache anpassen, könnte aber noch einige Zeit dauern. 

Zuletzt nahmen die Finanzinvestoren nur kleine Deals vor, die sie mit Eigenkapital oder privaten Kreditfonds finanzieren konnten. So konnte die Partners Group im November die Softwarefirma Cloudflight für etwa 400 Millionen EUR übernehmen. Noch im vergangenen Frühjahr hatten die Deals andere Dimensionen. Damals orchestrierte Advent einen Chemiedeal in Höhe von 6,2 Milliarden Euro mit Lanxess (WKN: 547040 ; ISIN: DE0005470405) und DSM und kaufte Cinven Bayer eine Sparte für 2,4 Milliarden EUR ab. 

Julio Sellmann von der Kanzlei Freshfields bemerkt, dass die Transaktionen mittlerweile langsamer, kleiner und ausgewählter sind. Aufgrund der veränderten Rahmenbedingungen entstehen häufiger Konflikte. Vor allem Bewertungen, Verzögerungen wegen Covid und der Ukraine und die Inanspruchnahme von MAC-Klauseln, die den Rücktritt von Deals erlauben, seien häufige Streitpunkte. 

Macquarie-Europachef Rainer Langel rechnet mit einer schwieriger werdenden Situation an den Finanzierungsmärkten im ersten Quartal. Ab dem Sommer 2023 erwartet er aber eine Belebung des M&A-Marktes. 

Käufer warten Zahlen für 2022 ab 

Zwar sind viele Kredite in der Pipeline, fehlende Kredite verhindern aber die Umsetzung. Viele Prozesse basierten auf den Zahlen von 2021 und den Erwartungen für 2022/23, die wegen des getrübten Geschäfts- und Marktumfelds nicht zustande kamen, weiß Burc Hesse von Latham & Witkins zu berichten. Nun warten die Käufer auf die Zahlen des letzten Jahres, um eine realistische Einschätzung über die zu erwartende Entwicklung zu gewinnen. Wenn diese Zahlen vorliegen und sich die Finanzierungsmärkte erholt haben, ist mit einer neuen Reihe von Auktionen zu rechnen, meint Hesse.

Auch Unternehmen, die sich im Besitz von Finanzinvestoren befinden, sind darunter. Private-Equity-Portfoliounternehmen, die 2023 auf den Markt gehen könnten, sind möglicherweise Schenker, Techem, Ifco, Apleona, Innio, Opseo, Toitoi, Schülke und All4Labels. In den vergangenen Monaten haben Finanzinvestoren ihre Firmen finanziell stabilisiert und den Exit vorbereitet. Deswegen sei bald mit einer Übernahme von Übernahmen zu rechnen. 

Die Portfolios haben Sanierungsbedarf

Viele Firmen profitieren noch von den günstigen Krediten, allerdings werden viele Darlehen schon im nächsten Jahr fällig. Mit den Finanzierungen dürften auch Restrukturierungen einhergehen. Bank-of-America-Deutschland Chef Armin von Falkenhayn betont, dass ein rezessives Umfeld die Ausfallrate von Unternehmen erhöht, weshalb die Kreditaufschläge bereits gestiegen sind. Ein Trend, der sich auch 2023 fortsetzen wird. Das Volumen von Restrukturierungstransaktionen im M&A-Geschäft wird damit voraussichtlich wachsen.

Der Restrukturierungsanwalt Ludwig Weber ermahnt Unternehmer über eine Restrukturierung nachzudenken, wenn das Geschäftsmodell Schwächen zeigt und Kosten nicht mehr weitergegeben werden können. Oftmals warteten Unternehmer zu lange auf Besserung, während der Handlungsspielraum kleiner wird. 

Bei Auktionen haben Unternehmen Vorteile

Im Wettbewerb mit Finanzinvestoren um attraktive Übernahmen haben starke Unternehmen derzeit einen Vorteil, da ihre Kreditwürdigkeit besser ist. Konzerne mit guter Bonität können M&A-Deals mit fünf Prozent Zinsen finanzieren, während Private-Equity Probleme hat, Finanzierungen zu finden, die sich rechnen. 

Experten meinen dennoch, dass man die Finanzinvestoren nicht abschreiben solle, da diese wichtige Spieler blieben. Dass es den Fonds gelingt, viel Geld von Investoren einzuwerben, ist ein starkes Indiz dafür. Zwar werden diese Mittel, laut Preqin, 2022 um ein Fünftel auf 550 Milliarden US-Dollar zurückgehen, während sich bei einzelnen Investoren Mega-Fundraisings verzögern. Allerdings warben Thoma Bravo, Advent und KKR zuletzt insgesamt rund 76 Milliarden US-Dollar an. 

Somit ist davon auszugehen, dass Private Equity auch 2023 aktiv bleiben wird, da die Fonds über viel Kapital verfügen, das investiert werden muss. Es ist damit zu rechnen, dass das Geschäft in der zweiten Jahreshälfte Fahrt aufnimmt.

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