Für sein geplantes Werk in Magdeburg rechnet der US-Chiphersteller Intel (WKN: 855681 ; ISIN: US4581401001) mit deutlich höheren Kosten. Inzwischen plant der Konzern laut Medienberichten mit 27 Milliarden EUR, was 10 Milliarden EUR über der 2021 veranschlagten Summe liegt.
Damit erhöht Intel den Druck auf die Bundesregierung, die zugesagte Investitionshilfen von 6,8 Milliarden EUR auf zehn Milliarden EUR zu erhöhen. Die Bundesregierung gibt sich gespalten. Während das Wirtschaftsministerium und das Kanzleramt die Bereitschaft für höhere Subventionen werben, möchte das Bundesfinanzministerium die Zusagen nicht erhöhen.
Im Fall Intel bricht sich die Debatte nach der Abhängigkeit Deutschlands vom Ausland. Es geht dabei um die Frage, wie sehr die Politik ausländische Unternehmen mit Subventionen dazu bringen sollte, in der Bundesrepublik Industriefabriken zu bauen.
Der Wirtschaftsminister von Sachsen-Anhalt, Sven Schulze (CDU), plädiert ebenfalls für höhere Subventionen. „Wir haben die Chance, ein ganzes Ökosystem für Innovationen aufzubauen“, sagte er. Ökonomen warnen aber, dass die in Ostdeutschland ohnehin knappen Arbeitskräfte abgeworben werden könnten. „Intel schadet dem Start-up- und Innovationsstandort“, erklärte Reint Gropp, Präsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle.
Dass die vor zwei Jahren kalkulierten Kosten von 17 Milliarden EUR nicht ausreichen würden, war schon länger abzusehen. Der Chiphersteller wurde von der Inflation hart getroffen und vor allem Baustoffe sind deutlich teurer geworden. Regierungskreise betonen aber auch, dass Intel selbst für gestiegene Kosten verantwortlich sei. So wollte der Konzern eine modernere Technologie als eigentlich geplant einsetzen und den Baustart von Anfang 2023 auf 2024 verschieben. Erst 2027 oder 2028 könnte die Fertigung im Werk begonnen werden.
Ein Intel-Sprecher betonte, dass man zu Produktionsbeginn die führende Technologie nutzen wolle. Somit wird Intel wahrscheinlich die nächste Generation von EUV-Anlagen des niederländischen Herstellers ASML verwenden. Diese High-NA-EUV-Maschinen kosten jeweils mehrere Hundert Millionen EUR und sollten noch vor Mitte des Jahrzehnts verfügbar sein.
EUV steht für “extrem ultraviolettes Licht”, mit dem Halbleiter belichtet werden. Nur diese Technologie von ASML ermöglicht es, Chips der fortschrittlichsten Generation mit Strukturgrößen von unter fünf Nanometern zu produzieren, die für die neuesten Smartphones und Computer verwendet werden.
Der Sprecher äußerte sich indes nicht zur konkreten Kostenkalkulation. Für die Mehrkosten müsse aber mit dem Staat gemeinsam eine Lösung gefunden werden. Im Juni sollen erneut Gespräche zwischen dem Konzern und der Bundesregierung stattfinden. In Regierungskreisen ist man Intel gegenüber misstrauisch. Obwohl es klar sei, dass die Investitionssumme von 17 Milliarden EUR nicht mehr aktuell sei, gehe es Intel auch darum, möglichst hohe Subventionen herauszuschlagen. In Magdeburg sollen zwei der “Megafab” genannten Chip-Produktionssysteme entstehen. Spekulationen, dass Intel weitere solcher Fabriken bauen wolle, sind dementiert.
Verglichen mit anderen Intel-Werken scheint die Kostensteigerung nicht abwegig. In Ohio plant das Unternehmen ein ähnliches Werk und kalkuliert mit Kosten in Höhe von 20 Milliarden USD. Bundeswirtschaftsministerium und Kanzleramt sind der Meinung, dass mehr Investitionen auch höhere Subventionen erlauben und dass die Erhöhung der Staatshilfe wahrscheinlicher sei, wenn die Investitionssumme steige.
FDP-Bundesfinanzminister Christian Lindner diskutiert derweil schon seit Wochen mit Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen darüber, welche Projekte die Regierung finanziell unterstützen soll. Die noch unter der Merkel-Regierung zugesagten 6,8 Milliarden EUR für Intel stehen dabei aber nicht zur Debatte.
Lindner will an der Schuldenbremse festhalten und meint, dass Subventionen ökonomisch ineffizient seien. Das Wirtschaftsministerium betont dagegen, dass nur mit staatlicher Unterstützung auf die Subventionsprogramme für Halbleiterhersteller in den USA und China reagiert werden könne.
Im Wirtschaftsministerium ärgere man sich über Lindner, der sich zwar als Politiker mit einer großen Wirtschaftsexpertise darstelle, dabei die Wirtschaft aber blockiere, statt sie zu unterstützen. Und auch Unionsfraktionsvize Jens Spahn fordert Lindner auf, seine Prioritäten zu überdenken. „Die Bundesregierung muss auf Intel zugehen und sicherstellen, dass das Projekt umgesetzt wird“, sagte Spahn. Deutschland müsse „unabhängiger von asiatischen Herstellern werden.“ Mikrochips gelten als wichtiges strategisches Gut. Im Zuge der Corona-Pandemie waren Lieferketten aus Asien zusammengebrochen, was zu Lieferschwierigkeiten bei Elektronikartikeln und Autos führte.
In Regierungskreisen heißt es, dass man nun versuche, die Kostenlücke anders zu verkleinern. Man führe etwa Gespräche mit Energieversorgern, da ein günstigerer Bezug von Strom die Ansiedlung in Magdeburg attraktiver werden lassen könnte. Auch der Intel-Sprecher bestätigte, dass es neben Subventionen auch um Energiepreise gehe.
Der von Habeck vorgeschlagene Industriestrompreis, den Lindner auch blockiert, könnte ebenfalls Intels Entscheidung beeinflussen. Und auch die Versorgung mit Wasser soll günstiger für den Konzern werden.
Der neue Vorsitzende des unabhängigen Wissenschaftlichen Beirats des Wirtschaftsministeriums, Eckhard Janeba, hält die Bereitschaft für höhere Subventionen für falsch, da die Strompreise deutlich gefallen seien. „Sie können bei einem zügigen Ausbau der erneuerbaren Energien zum geplanten Beginn der Chipproduktion im Jahr 2027 weiter sinken“, so der Mannheimer Ökonom dem Handelsblatt.
Das Werk in Magdeburg ist aber nicht in Gefahr. Konzernchef Pat Gelsinger hat mehrfach betont, an dem Projekt festhalten zu wollen und auch in Regierungskreisen ist die Sorge, dass sich das Unternehmen von dem Standort zurückziehen könnte, gering.
Dass sich die Verhandlungen ziehen, liegt aber daran, dass der Konzern unter Druck steht. Im letzten Quartal verzeichnete Intel einen Verlust von 2,8 Milliarden USD. Die Zeit der Chipknappheit ist vorbei und einige Werke sind nicht mehr voll ausgelastet. Gelsinger versprach deshalb den Aktionären, Investitionen zu strecken und hat es somit nicht eilig, den Bau der Magdeburger Anlage zu beginnen.