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Immobilienbranche unter Druck

Die Zinswende macht der Immobilienbranche großen Druck, was sich vor allem an den Kapitalzuflüssen zeigt.

Die Wende am Kredit- und Kapitalmarkt trifft die Immobilienbranche. Nach Jahren guter Geschäfte stecken Immobilienunternehmen in der Krise. Gerade Projektentwickler, börsennotierte Großvermieter, Fondsgesellschaften und institutionelle Investoren wie Versicherer stehen unter besonderem Druck. 

Das liegt daran, dass nach dem Zinsschock die Nachfrage der Immobilienkäufer zeitweise zum Erliegen gekommen ist und nur langsam wieder anzieht. Auch die Immobilienunternehmen selbst leiden unter den gestiegenen Zinsen und fundamental gewandelten Bedingungen am Kredit- und Kapitalmarkt. Infolge der geringen Nachfrage sind die Verkaufspreise und damit die Immobilienwerte spürbar gesunken.

„Bei Büros gehen wir davon aus, dass es bei den Marktpreisen seit dem Höchststand Mitte 2022 um bis zu 20 Prozent nach unten gehen kann. Und die Frage ist, ob das reicht. Für Objekte in schlechten Lagen können die Preise noch deutlicher sinken“, führt Philipp Wass, verantwortlicher Geschäftsführer für Corporate Ratings beim Ratinghaus Scope, den europaweiten Abschwung im wichtigsten Segment des gewerblichen Markts weiter aus. Bei Wohnimmobilien rechnet man mit Abschlägen von 15%.

In der Folge werden viele Neubauprojekte gecancelt oder verschoben, während andere Bauträger pleitegehen. Unternehmen wie Gerchgroup, Project, Centrum oder Development Partner mussten in Deutschland bereits Insolvenz anmelden.   

Eigentümer mussten die Bilanzwerte ihrer Immobilien nach unten korrigieren, was bei Anlegern börsennotierter Immobilienkonzerne nicht gut ankommt. So haben sich etwa die Aktienkurse von Vonovia seit 2021 halbiert. Daneben besteht die Sorge um den Finanzierungsbedarf vieler Immobilienunternehmen. Bald müssen diese auslaufende Darlehen neu verhandeln und auch bald fällige Anleihen an Investoren zurückzahlen, da viele Real-Estate-Firmen bis Mitte 2022 auch den Anleihemarkt genutzt haben, um zu günstigen Konditionen Kapital einzusammeln.

2024 werden europaweit Immobilienanleihen in Höhe von insgesamt 32 Milliarden Euro fällig. 2026 beläuft sich diese Summe sogar auf 45 Milliarden Euro. Ab 2034 kämen auslaufende langfristige Schulden in erheblichem Ausmaß hinzu, ergänzt Wass.

Die Refinanzierungslage für die meisten Immobilienunternehmen wird sich verschärfen, meint der Scope-Experte. Nun versuchen diese die Schuldenlast zu minimieren. Da die Anleihekurse infolge der steigenden Zinsen massiv gefallen sind, konnten einige Unternehmen ihre Anleihen unter Nennwert zurückkaufen und somit ihre Schulden reduzieren, was jedoch bei Anleihezeichnern nicht gut ankommt, wie Wass berichtet. 

Firmen hätten gleichzeitig durch Immobilienverkäufe ihre Verbindlichkeiten reduziert. „Der Schuldenabbau durch den Verkauf von Vermögenswerten ist für die meisten Anleiheemittenten unerlässlich, um die Erwartungen der Gläubiger an risikoarme Bilanzen zu erfüllen“, erläutert Wass die Motive der Unternehmen.

Jedoch droht damit eine Abwärtsspirale. Da ein Verkauf häufig nur zu Preisen möglich ist, die niedriger als der bilanzierte Immobilienwert liegen, müssten Firmen ihre Vermögenswerte nach unten anpassen, was die Bilanzen drückt und die Kreditwürdigkeit schwächt.

Auch für private Haus- und Wohnungskäufer hat sich die Lage verschärft. Im Vergleich zu 2019 haben sich die Zinsen verdoppelt. Was die um neun Prozent gefallenen Preise nicht kompensieren. 

Auch die Hoffnung, dass die Zinsen in der zweiten Jahreshälfte wieder sinken, wurde enttäuscht. Unter Experten hält sich die Erwartung, dass die Bauzinsen kurz- und mittelfristig auch wegen der Lage am Anleihemarkt stabil bleiben. Michael Neumann, Vorstandschef des Finanzierungsvermittlers Dr. Klein prognostiziert, zum Jahresende um die vier Prozent für ein Baufinanzierungsdarlehen mit einer zehnjährigen Zinsbindung. 

Max Herbst, Chef der Frankfurter FMH Finanzberatung, rechnet damit, „dass sich die Bauzinsen bis auf 4,5 Prozent erhöhen werden für zehn Jahre fest“.

Offene Immobilienfonds werden davon getroffen. Zinsen auf Tages- und Festgeld sind für Anleger wieder eine echte Alternative zur Fondsanlage. Immobilienfonds hatten im laufenden Jahr bis einschließlich August Nettomittelzuflüsse von 1,31 Milliarden Euro, während 2022 noch gut 4,7 Milliarden EUR in die Fonds floß. Auf Monatsbasis betrachtet waren die Neumittelzuflüsse im September 2023 zum ersten Mal seit mehr als fünf Jahren negativ, berichtet das Beratungshaus Barkow Consulting.

Sonja Knorr von der Ratingagentur Scope hält es für denkbar, dass die Immobilienfonds 2024 im Schnitt mehr Kapital an ihre Kunden auszahlen werden, als ihnen zufließt. Sie rechnet dennoch kaum mit dramatischen Schieflagen.

Nach der Fondskrise infolge der Finanzkrise der Jahre 2008 und 2009 gelten für Immobilienfonds strenge Liquiditätsanforderungen. „Laut Gesetz müssen das fünf Prozent des Fondsvermögens sein, tatsächlich hat aber kein Fonds nur so wenig Liquidität, der Branchenschnitt liegt bei 15,1 Prozent“, sagt Knorr.

Nur wenn dieses Geld nicht mehr reichen sollte, um Anleger auszuzahlen, kann ein Immobilienfonds zeitweise geschlossen werden. Eine einjährige Kündigungsfrist bietet davor Schutz. Für die Gesellschaften macht sie Kapitalrückzahlungen besser planbar. Wenn Anleger ihre Anteile vermehrt zurückgeben wollen, haben die Fonds ein Jahr Zeit, Immobilien zu verkaufen, ohne als „Notverkäufer“ am Markt auftreten zu müssen.

Infolge der Krise von vor 15 Jahren wurde beschlossen, dass Immobilienfonds maximal 30 Prozent Fremdkapital aufnehmen dürfen. Kaum ein Fonds kommt laut Knorr an diese Marke heran. Durchschnittlich sind nur rund 16 Prozent des Fondsvermögens mit Krediten finanziert. „Das ist im Vergleich zu anderen Immobilieninvestments sehr konservativ.“

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