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Experten raten zur globalen Diversifikation: Durch die Beschränkung auf deutsche Aktien entgehen Anlegern 200 Milliarden Euro

Deutsche Anleger haben durch ihre Konzentration auf heimische Aktien möglicherweise erhebliche Gewinne eingebüßt.

Obwohl viele Börsen nahe ihrer Höchststände handeln, haben deutsche Privatinvestoren seit dem Jahr 2000 potenziell über 200 Milliarden Euro an möglichen Gewinnen verpasst, weil sie primär in den deutschen Markt investiert haben statt global zu diversifizieren, wie aus einer Analyse des Handelsblatts hervorgeht.

Laut Bundesbankdaten hatten deutsche Investoren um die Jahrtausendwende etwa 248 Milliarden Euro in deutsche Aktien investiert, sowohl direkt als auch über Fonds. Seitdem ist der DAX zwar um 160 Prozent gestiegen, der globale “MSCI World Index” jedoch um 250 Prozent. Dies verdeutlicht das verpasste Potenzial durch eine breitere Streuung der Anlagegelder auf internationalen Märkten. Um verpasste Gewinnchancen auf dem globalen Aktienmarkt zu vermeiden, raten einige Finanzexperten zu einer Umstrukturierung der Anlageportfolios. Philipp Vorndran, Partner bei der Vermögensverwaltung “Flossbach von Storch”, empfiehlt deutschen Anlegern: „Mein Rat an deutsche Anleger wäre, die freien Gelder für das liquide Vermögen nahezu komplett im Ausland anzulegen.“ Paul Jackson, Research-Experte beim Geldverwalter “Invesco” in London, fügt hinzu: „Die Zeiten, in denen man glaubte, als Aktionär ikonische deutsche Unternehmen besitzen zu müssen, sind vorbei.“

Es gibt bereits Anzeichen dafür, dass Privatanleger diese Einsicht gewonnen haben. Laut der Bundesbank ist der Anteil deutscher Aktien in den Portfolios von 75 auf 55 Prozent gefallen. Die “Comdirect Bank” verzeichnet einen Rückgang von etwa 58 auf 40 Prozent unter ihren Kunden. Trotzdem zeigt sich bei den deutschen Anlegern weiterhin eine starke Vorliebe für heimische Aktien.

Diese Vorliebe spiegelt sich jedoch nicht in der Zusammensetzung internationaler Indizes wider, die nach der Marktkapitalisierung der Unternehmen und den historischen Kursgewinnen ausgerichtet sind. Deutsche Aktien machen dort nur einen kleinen Teil aus, was zeigt, dass die derzeitige hohe Gewichtung deutscher Titel in den Portfolios überproportional ist.

US-Technologieunternehmen beherrschen Aktienindizes

Der Anteil deutscher Unternehmen im “MSCI World Index” ist auf zwei Prozent gesunken, verglichen mit über fünf Prozent um die Jahrtausendwende und fast 13 Prozent vor 125 Jahren im globalen “FTSE-Index”. Die jüngste Schrumpfung der deutschen Börse spiegelt teilweise den Boom an der Wall Street wider, besonders im Technologiebereich.

Gleichzeitig ringt die deutsche Wirtschaft mit Herausforderungen wie geringem Wachstum, Firmenabwanderungen ins Ausland, hohen Energiekosten und geopolitischer Unsicherheit, was sich negativ auf die Attraktivität und Börsenwerte lokaler Unternehmen auswirkt. „Die Wirtschaftspolitik in Deutschland ist schon seit längerer Zeit ein Desaster“, kritisiert Gerd Kommer, Chef von “Kommer Invest” und Autor von Büchern über Indexfonds. Er rät Anlegern, nicht auf den heimischen Markt beschränkt zu bleiben: „Als Bürger sind wir der Wirtschaftspolitik ausgeliefert, als Anleger aber nicht auf die heimische Börse beschränkt. Unsere Grenze ist nicht Deutschland, die ganze Welt steht uns offen.“

Robert Hinchliffe, Fondsmanager bei “Pinebridge Investments” in den USA, macht dies deutlich, indem er für sein Flaggschiff-Fonds von über einer Milliarde Dollar keine deutschen Aktien hält. „Ich besitze keine einzige deutsche Aktie. Und hätte ich nur eine einzige, wäre ich in Deutschland schon übergewichtet, gemessen etwa am MSCI Welt“, erklärt er mit ironischem Unterton aus New York.

Einzelne US-Aktie überragt den Gesamtwert des Dax

Die Bedeutung der deutschen Börse erscheint minimal im Vergleich zu den globalen Schwergewichten, bemerkt Fondsmanager Hinchliffe, der die deutsche Börse als „tiny market“ beschreibt. Ein markantes Beispiel hierfür ist “Microsoft”: Mit einem Börsenwert von 3,1 Billionen Dollar übertrifft der Wert des Technologiegiganten fast doppelt den Gesamtwert aller 40 Dax-Unternehmen, die zusammen etwa 1,7 Billionen Euro wert sind.

Der deutsche Aktienmarkt steht nicht nur im Vergleich zu den USA schlecht da. 

Experte Gerd Kommer weist darauf hin, dass trotz Deutschlands erheblich größerer Bevölkerung die Schweiz eine größere Börse besitzt, was er als „bizarre Tatsache“ betrachtet und den deutschen Politikern zuschreibt. Er kritisiert die allgemeine Haltung zur Marktwirtschaft und zu Finanzmärkten in Deutschland. Länder wie Großbritannien und Indien seien Deutschland in Sachen Aktienkultur weit überlegen, wobei die indischen Aktienkurse seit der Jahrtausendwende auf Dollarbasis nahezu um das Siebenfache gestiegen sind. Dementsprechend spiegelt die gegenwärtige Quote deutscher Aktien im “MSCI-Index” den Bedeutungsverlust der heimischen Börse korrekt wider, so Kommer. Er prognostiziert, dass Deutschland bald nur noch eine marginale Rolle in den globalen Indizes spielen könnte.

Internationale Portfolios mit begrenztem Anteil heimischer Aktien

Paul Jackson von “Invesco” rät nicht dazu, deutsche Aktien komplett aus dem Portfolio zu streichen. Er sieht eine Beteiligung von etwa 20 Prozent an deutschen Aktien als einen vernünftigen Kompromiss zwischen lokaler Investition und globaler Diversifikation. Ein noch geringerer Anteil könnte laut Jackson riskant sein: „Die Trends der vergangenen Dekaden sind nicht zwingend eine gute Indikation für die Zukunft. Und es wäre ein Risiko zu denken, dass die Wall Street ewig eine so überlegene Performance liefert.“

Kim Catechis, Leiter der Anlagestrategie beim “Franklin Templeton Investment Institute”, teilt diese Ansicht. Als Schotte kennt er die Tendenz, gegenüber dem eigenen Land skeptisch zu sein. Er befürwortet eine gewisse Heimatverbundenheit im Anlageportfolio: „Das Risiko, ein Wiederauferstehen Europas zu verpassen, ist zu hoch.“

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