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Der Trend zum Festgeld

Angesichts steigender Zinsen gilt das Festgeld wieder als attraktive Einlageart. Der Trend muss aber nicht dominant werden.

© Getty Images/iStockphoto

Das Festgeld kehrt zurück. Die Festgeldeinlagen deutscher Banken sind seit der Zinswende im Juli letzten Jahres so stark angestiegen wie noch nie in einem vergleichbaren Zeitraum, wie die Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsfirma PwC auf Basis von Bundesbank-Daten ermittelt hat. 

Die Einlagen privater Kund:innen sowie von Unternehmen erhöhten sich bis Ende März 2023 um die Hälfte auf 535 Milliarden EUR. „Nach über einem Jahrzehnt rückläufiger Volumina sind die Festgeldeinlagen deutscher Banken seit der Zinswende im Juli 2022 erstmals wieder angestiegen, und zwar um den Rekordbetrag von 180 Milliarden Euro“, sagte PwC-Partner Daniel Wildhirt.

Gleichsam schoss die Zahl der Festgeldangebote in die Höhe. Inzwischen zählt das Vergleichsportal Verivox 426 Banken mit Festgeldangeboten, was dreimal so viel wie vor einem Jahr sind. 

„Es gibt ein Interesse auf Bankenseite, mehr längerfristige Einlagen einzusammeln. Und es gibt auch ein Interesse bei den Kunden“, berichtete Andreas Martin, Vorstandsmitglied beim Verband der Volks- und Raiffeisenbanken (BVR), dem Handelsblatt. Er geht von weiteren Flüssen ins Festgeld aus. Dafür sei allerdings wichtig, wie sich die Inflation entwickle und welchen Spielraum die Kunden hätten. 

Die meisten Gelder sind in Deutschland noch immer auf Giro- und Tagesgeldkonten gelagert. Insgesamt handelt es sich dabei um 2,37 Billionen EUR. Doch die Zuflüsse ins Festgeld geben Anzeichen, dass diese Dominanz bröckeln könnte. Dass die Gelder auf Giro- und Tagesgeldkonten seit vergangenem August beständig sinken, liegt aber auch daran, dass die Menschen angesichts der Inflation weniger sparen können und auf Ersparnisse zurückgreifen müssen. 

Auch die Sparkassen sehen den Trend zum Festgeld. Diese Entwicklung sei klar Zinsgetrieben, so  der Deutsche Sparkassen- und Giroverband (DSGV). Die meisten Banken zahlen mehr Zinsen auf das Festgeld als auf das Tagesgeld. Verivox zufolge beträgt der Durchschnittszins bei zweijährigem Festgeld derzeit 2,06 Prozent pro Jahr. Der Zins für Tagesgeld liegt im Schnitt bei 0,35%. Auf Girokonten gibt es schon seit der Zeit vor der Negativzinsphase keine Zinsen mehr. 

„Trotz einiger Aktionen für neue Tagesgeldkunden haben die Banken die gestiegenen Zinsen bei Festgeldern in der Breite einfach deutlich schneller weitergegeben“, berichtet PwC-Experte Wildhirt. „Zudem werden Festgeldeinlagen aktuell auch bei zahlreichen Banken intensiv vermarktet.“

Heinz-Gerd Stickling, Partner bei der Beratungsfirma Zeb, beobachtet den Versuch der Bankhäuser,  wieder mehr langfristige Einlagen anzuziehen. „Nun nach der Zinswende diversifizieren Banken und Sparkassen ihre Refinanzierung und bieten im Kundengeschäft wieder aktiv verzinste Einlagenformen an“, so Stickling. Zeb rechnet mit einem neuem Refinanzierungsmix der Geldhäuser angesichts der Zinsen. 

Aber auch die Bankenkrise lenkt den Blick der Bankhäuser auf die Entwicklung der Einlagen. Ein rascher Abzug der Einlagen löste in den USA mehrere Zusammenbrüche von Banken aus. Vor allem die Pleite der Silicon Valley Bank hat für diese Entwicklung die Augen geöffnet. Auch Philipp Bulis, Bankexperte der Beratungsfirma Oliver Wyman, sieht darin einen Grund für vermehrte Festgeldangebote. „Die Pleite der Silicon Valley Bank hat vielen Bankern ins Bewusstsein gerufen, dass der rasche Abfluss von Sichteinlagen Kreditinstitute tatsächlich schnell in Schieflage bringen kann. Bei einem größeren Anteil langfristiger Einlagen lassen sich Risiken besser steuern.“

Dass Kund:innen schneller Gelder abziehen als in der Finanzkrise 2008, besorgt Banker und Finanzaufseher:innen. „Binnen Sekunden lassen sich über die sozialen Medien Informationen und Gerüchte verbreiten. Und übers Onlinebanking Einlagen abziehen. Zu jeder Tageszeit und an fast jedem Ort der Welt“, sagte der Chef der deutschen Finanzaufsicht Bafin, Mark Branson, kürzlich.

Branson fordert deshalb schärfere Liquiditätsvorschriften. Festgeldangebote würden die Gefahr mindern, dass Kund:innen viele Gelder abfließen lassen. Derzeit sind die Zinsen für Fest- und Tagesgeld aber gering. „Einlagen, die man kaum verzinst, sind natürlich eine extrem attraktive Refinanzierungsquelle, wenn sie bleiben. Aber man soll nicht zu lange zu gierig sein“, warnte Branson. Genau diese Einlagen wären in einer Krisensituation nämlich „flüchtig“. 

Oliver Mihm, Chef der Beratungsfirma Investors Marketing, liefert eine ähnliche Beurteilung: „Gerade Sparkassen und Volksbanken, die bisher fast keine Zinsen bieten, müssen aufpassen, dass Kunden mit größerem Vermögen ihre Mittel nicht in größerem Stil abziehen“, sagt er. 

Im Schnitt zahlen Sparkassen und Volksbanken nur 0,26% auf das Tagesgeld. Banken mit bundesweiten Angeboten bieten hingegen im Schnitt 1,07%. Rund 200 Geldhäuser, also 28% aller Banken in der Verivoxauswertung, zahlen auf das tagesgeld keine Zinsen. Bei den Volksbanken sind es sogar 32%.

Mihm erwartet aber nicht, dass alle Privatkund:innen im großen Stil ihr Geld auf Festgeldkonten umschichten, da 80% der Sparer:innen ihr Geld sofort verfügbar haben wollen. So sei aber vor allem für vermögende Kund:innen die Anlage in einjähriges Festgeld ein attraktiver Tagesgeldersatz. 

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