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Das Ende der deutschen Batterieforschung?

Wissenschaftler und Unternehmen schlagen aufgrund neuer FDP Pläne Alarm.

Forschung und Wirtschaft fürchten “das Ende der deutschen Batterieforschung”. Diese könnte nämlich Haushaltskürzungen zum Opfer fallen. In einem Brandbrief an die Bundesregierung heißt es, dass diese Kürzungen wegen der Schlüsselrolle der Batterien für die Energiewende „dramatische Konsequenzen für den Hightech-Standort Deutschland“ hätten. Die Abhängigkeit der Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft hin zur CO2-Neutralität von außereuropäischen Unternehmen werde damit weiter „zementiert“.

Verfasser des Briefes ist das „Kompetenznetzwerk Lithium-Ionen-Batterien“ (KLiB). Das Schreiben erreichte den Kanzler, den Wirtschaftsminister, die Forschungsministerin und den Finanzminister. Hauptadressat ist dabei Forschungsministerin Bettina Stark-Watzinger (FDP), die die Förderung der Batterieforschung um rund 155 Millionen Euro kürzen will. Dabei handelt es sich um rund drei Viertel der Mittel, die ursprünglich vorgesehen waren. Ab 2024 dürften nur noch laufende Projekte finanziert werden, ab 2025 sinkt der jährliche Ansatz von ursprünglich 155 Millionen auf 14 Millionen Euro.

Frank Blome, Chef der VW-Batterie-Tochter Powerco warnt: „Die Batterietechnologie spielt eine zentrale Rolle für die Zukunft des Automobilstandorts Deutschland und die Transformation zur E-Mobilität. Die geplanten Streichungen wären ein harter Schlag für diese so wichtige Forschung in Deutschland“. Insbesondere da China, Südkorea und die USA entgegengesetzt agieren und ihre Forschungsbudgets hier deutlich aufstocken.

„Muss die deutsche Batterieindustrie dasselbe Schicksal ereilen wie vor Jahren die deutsche Solarindustrie?“, fragt Dirk Abendroth, CEO von Customcells. Solche Kürzungen seien fatal. „Wenn Batteriezellen zur Schlüsselindustrie werden sollen, brauchen wir Verlässlichkeit in der Politik, Forschungsförderung, Investitionsunterstützung und einen ganzheitlichen Plan.“

Noch im Koalitionsvertrag hatte die Ampel Batterieprojekten in Europa eine zentrale Bedeutung zugesprochen und geplant, die Forschung an neuen nachhaltigen Batteriegenerationen zu stärken. 

Seitens des Ministeriums werden die Kürzungen mit den notwendigen Einsparungen im „Klima- und Transformationsfonds“ (KTF) durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt, in deren Folge sich die Ampel darauf geeinigt habe, einige Förderschwerpunkte „perspektivisch auslaufen zu lassen“ – darunter auch die für die E-Mobilität, so eine Sprecherin. 

Gleichzeitig hoffte das Ministerium, dass bei der Bereinigungssitzung am Donnerstag noch Änderungen möglich gewesen seien. Die Batterietechnologie sei „eine wichtige Schlüssel- und Zukunftstechnologie, die wir weiter fördern wollen“, erklärte die Sprecherin. „Die Konsolidierung des KTF darf nicht einseitig zu ihren Lasten passieren.“ Das Wirtschaftsministerium, welches für die Energiewende verantwortlich ist, wollte sich zu den Kürzungen der Forschungsministerin nicht äußern.   

Thomas Jarzombek, forschungspolitischer Sprecher der Union, spricht von einem „riesigen Fehler“. „Batterien sind eine kritische Komponente in vielen Industrieprodukten“, meint er. Deutschland drohe, nachdem Wirtschaftsminister Robert Habeck schon das Programm für Quantencomputer vollständig gestrichen habe, technologisch den Anschluss zu verlieren. 

Alternativ könne die Forschungsministerin, so Jarzombek, etwa aus der geplanten Agentur für Transfer und Innovation (Dati), die den Wissensfluss aus der Forschung in die Wirtschaft voranbringen soll und für die im laufenden Jahr 78 Millionen Euro vorgesehen waren, Gelder auftreiben. Dort sehe es „nicht so aus, als würde 2024 tatsächlich ein Aufbau stattfinden“.

Batterien gelten als Treiber der Energiewende. Führende Automobilhersteller setzen aufgrund dieses Trends immer mehr auf die Herstellung von firmeneigenen Batterien - für die Global-Player ein wichtiger Schritt in Richtung Unabhängigkeit. Nicht nur Tesla hat in der Vergangenheit durch seine Gigafactories für Aufsehen gesorgt. Auch deutsche Unternehmen wie VW, BMW, Mercedes-Benz oder Ford expandieren weiter im In- und Ausland.

Vor einigen Wochen hat der VW-Konzern angekündigt, in Kanada, Ontario, eines der größten EV-Batteriewerke der Welt zu errichten. Die Produktion soll dort 2027 beginnen. Das vermeintlich größte Batteriewerk der Welt wird über sechs Produktionslinien verfügen und jedes Jahr genug Batterien für eine Million Autos herstellen. Ford und SK, ein koreanischer Batteriehersteller, planen gerade den Bau eines neuen Batteriekathodenwerks im Wert von 1,2 Milliarden Dollar in Becancour, Quebec.

Auch die Bayerischen Motorenwerke (BMW) setzen auf eine eigene Batterieproduktion: In Debrecen, das sich 230 Kilometer östlich von Budapest befindet, will BMW in einem neuen Werk nicht nur Autos bauen. Dem Management zufolge soll auf dem Gelände eine Hochvolt-Batterie-Fertigung entstehen. Bis zum Start des Werks investiert BMW mehr als zwei Milliarden Euro in den Standort in Ungarn. 

Des Weiteren plant BMW in Niederbayern ebenfalls ein Batterie-Montagewerk. Hierfür hat der Autohersteller in den Gemeinden Irlbach und Straßkirchen im Landkreis Straubing-Bogen ein 105 Hektar großes Grundstück erworben. Von dem Standort sollen die Autowerke in München, Regensburg und Dingolfing mit Hochvolt-Akkus beliefert werden. 

Zur Forschung und Entwicklung von Batterien und Batteriezellen entsteht auch am größten Standort Sindelfingen im Mercedes-Benz-Antriebs-Produktionsverbund ein E-Campus. Seit 2021 werden bereits im dazugehörigen Werkteil Hedelfingen Batteriesysteme für den EQE und EQS produziert. 

Auch am Standort Brühl entstehen bereits Akkus für die neueste Plug-in-Hybrid-Generation, 2024 kommen Batterien für vollelektrische Modelle hinzu. Auf dem Gelände des Werks Kuppenheim ist der Aufbau einer Pilotfabrik zum Recycling von Lithium-Ionen-Batteriesystemen geplant. Mercedes bereitet sich darauf vor, bis 2030 voll auf E-Mobilität umzusteigen. Dafür hat sich das Stuttgarter Unternehmen ein weltweites Produktionsnetzwerk aufgebaut. 

Die Unternehmensberatung Roland Berger schätzt, dass sich der jährliche Bedarf an Batterien bis 2030 mehr als versechsfacht. Vor allem das Geschäft mit E-Auto-Batterien boomt. Allerdings sind deutsche Automobilhersteller in einer gefährlichen Abhängigkeit. So stammen neun von zehn Batterien von asiatischen Unternehmen. Die beiden führenden chinesischen Zellhersteller CATL und BYD teilen laut der Analysefirma SNE Research mehr als die Hälfte des Weltmarkts untereinander auf.

Europäische Unternehmen stehen dabei Firmen gegenüber, die Erfahrung und Ressourcen von 30 Jahren hätten, erklärt der Geschäftsführer des Batterienetzwerks KLiB, Michael Krausa. Nur CATL habe 2022 rund zwei Milliarden Euro in Forschung und Entwicklung investiert. 

Gleichzeitig hat China die Kontrolle über ein Drittel der Lithiumvorkommen und 60 Prozent der Raffineriekapazitäten des wichtigsten Rohstoffs für Batterien. Bei Kobalt und Grafit hat sich die Volksrepublik ebenfalls große Vorkommen gesichert. 

Experten rechnen damit, dass Deutschland nur mithilfe von neuen Zellchemien und technologischen Sprüngen eine Chance hat, der asiatischen Konkurrenz etwas entgegenzusetzen, wofür es wiederum einer breiten Batterieforschungslandschaft bedürfe.

Mit Northvolt aus Schweden, ACC aus Frankreich mit Unterstützung von Mercedes-Benz und der VW-Tochter Powerco gibt es nur drei relevante Batteriezellhersteller in Deutschland. Dabei weiß man in Europa längst um die geopolitische Bedeutung der Batterieindustrie. So hat die EU-Kommission Deutschland zuletzt erlaubt, Northvolt mit 902 Millionen EUR zu fördern. Ab 2026 will das Unternehmen in einem Norddeutschen Werk Batteriezellen für E-Autos herstellen. 

Der Großteil der Subventionen stammt vom Bund. „Die positive Beihilfeentscheidung der EU-Kommission ist nicht nur wegweisend für Northvolt, sondern für die europäische Batteriezellindustrie insgesamt“, sagte ein Sprecher des Unternehmens. 

Am Donnerstag gaben EIT Innoenergy und die Risikokapitalgesellschaft Demeter bekannt, den “EBA Materials Fund”, einen Investmentfonds über 500 Millionen Euro zum Aufbau einer resilienten Lieferkette für Batterierohstoffe in Europa, einzurichten. „Eine florierende und widerstandsfähige europäische Batterieindustrie können wir nur sicherstellen, wenn unsere Bemühungen bei der heimischen Rohstoffproduktion intensivieren“, sagte Christian Müller, Vorstandsmitglied von EIT Innoenergy.

„Angesicht der herausragenden Bedeutung für Europas Wettbewerbsfähigkeit wäre jegliche Mittelkürzung im Batteriesektor bedauerlich“, warnte er. Der Fonds zielt vor allem auf die wichtige Frühphase ab. Bisherige Initiativen, so Müller, fokussierten sich jedoch meist auf vorangeschrittene Projekte.

70 Prozent der Investitionen des EBA Materials Fund fließen in Projekte für die Rohstoffproduktion in der EU und Nachbarländern, die von der Förderung von Lithium, Nickel, Kobalt, Mangan und Grafit über die Verarbeitung bis hin zum Recycling reichen. Die restlichen 30 Prozent sollen die Rohstoffversorgung aus EU-Partnerländern wie Kanada, Namibia oder Argentinien stützen.

„Die Batterieindustrie ist von strategischer Bedeutung und ein zentraler Gradmesser für Europas Wettbewerbsfähigkeit“, sagt auch der für den Green Deal zuständige EU-Vizekommissar Maros Sefcovic, der die Europäische Batterieallianz initiiert hat.

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