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Bayer AG
WKN BAY001

Dax-Konzerne leiden unter höheren Zinsen

Unternehmen sehen sich zur Reduzierung ihrer Investitionen genötigt.

Aufgrund der gestiegenen Zinsen meiden deutsche Unternehmen Verbindlichkeiten. Allein sechs von 32 Dax-Unternehmen, die keine Kredite vergeben, nahmen 2022 selbst weitere Kredite auf. Die übrigen Unternehmen bemühten sich hingegen, offene Kredite zurückzuzahlen. 

Aus diesem Grund fielen die Investitionen der Hälfte der Konzerne niedriger aus als im Vorjahr. Nur ein Drittel verzeichnete Zuwächse. „Die Finanzierung von Investitionen für Unternehmen ist komplizierter geworden, da von Banken eine höhere Eigenkapitalquote bei Krediten verlangt wird als in den vergangenen Jahren“, so Daniel Schmitz, NRW-Chef der Schweizer Privatbank Pictet. „Aufgrund dessen sind Unternehmen aktuell weniger bereit, risikoreichere Investments außerhalb des Unternehmens einzugehen.”

Seit Juli 2022 ist der Zinssatz der EZB erstmals seit Jahren auf ein Niveau von 3,5% gestiegen. Die Zinsen für Kredite oder Anleihen stiegen hingegen für die meisten Unternehmen schneller als der Leitzins. „Die Finanzierungskosten für Unternehmen durch Kredite haben sich gegenüber Anfang 2022 in der Spitze verdreifacht“, meint Peter Barkow, Gründer und Geschäftsführer des Analysehauses Barkow Consulting.

Laut Expertenmeinung wird sich diese Lage nicht allzu bald verbessern. Laut der Restrukturierungsberatung Alix Partners halten Unternehmen die Inflation und das damit verbundene Zinsniveau für ihr Hauptproblem. 

Die Anleihe-Platzierung der IHO, der Holding des Automobilzulieferers Schaeffler, verdeutlicht, wie angespannt die Lage an den Finanzierungsmärkten ist. Das Familienunternehmen platzierte am 24. März 500 Millionen Euro neu bei institutionellen Anlegern, um Bonds abzulösen, die erst 2025 fällig werden. Der daraus resultierende Zins von 8,75% ist doppelt so hoch wie der der in zwei Jahren auslaufenden Anleihen. 

Die Sorge vor steigenden Zinsen oder einer Kreditklemme lässt deutsche Unternehmer auf defensive Strategien wechseln, da vor allem für mittelständische Unternehmen die Finanzierungen zunehmend schwieriger werden. „Viele Familienunternehmen überdenken ihre Investitionsentscheidungen gerade im Lichte der Ökonomie und der Unsicherheit“, berichtet Uwe Rittmann, Leiter Familienunternehmen und Mittelstand und Mitglied der Geschäftsführung bei PwC.

Aber auch Dax-Konzerne wie Bayer (WKN: BAY001 ; ISIN: DE000BAY0017) haben derzeit Schwierigkeiten bei der Refinanzierung über Anleihen.  „Dieses volatile Zinsumfeld in Verbindung mit der hohen geopolitischen Unsicherheit führte zu einem außerordentlich vorsichtigen Verhalten der Anleiheinvestoren“, berichtet der Leverkusener Konzern in seinem jüngst veröffentlichten Geschäftsbericht. „Daher waren die Emissionsfenster während des Jahres 2022 für längere Zeitabschnitte geschlossen.“

Der Konzern musste im letzten Jahr für zwei Tranchen einer Hybridanleihe über 1,3 Milliarden EUR Kupons von 4,5 und 5,375 Prozent anbieten. Noch im Vorjahr hatte den Bond-Zeichnern eine Verzinsung von 0,05 bis 1,0 Prozent gereicht. Entsprechend schlecht sind die Aussichten: In diesem und im folgenden Jahr werden jeweils 3,8 Milliarden Euro an Finanzverbindlichkeiten fällig.

Auch die Zinskosten für Bankkredite stiegen. Der “Corporate Credit Index”, der vom Analysehaus Barkow Consulting ermittelt wird und der den durchschnittlichen Zinssatz für neue Firmenkredite mit fünfjähriger Laufzeit abbildet, ist seit Anfang 2022 von 1,65 Prozent auf 3,96 Prozent gestiegen. Erst seit sieben Wochen befindet er sich wieder unter der Marke von vier Prozent. 

Die Zinsaufschläge, die über dem Niveau der EZB liegen, spiegeln die gestiegenen Geschäftsrisiken. „Die Banken begründeten die strengeren Anforderungen mit einem nach ihrer Einschätzung erhöhten Kreditrisiko“, schrieb die Bundesbank in der jüngsten Auswertung ihrer vierteljährlichen Umfrage unter Banken. Als Begründung führen die Institute die Verschlechterung der allgemeinen Wirtschafts- und Konjunkturlage sowie der branchen- und firmenspezifischen Aussichten an. Vor allem die Immobilienbranche und energiereiche Branchen sind von der Verschärfung betroffen. 

Neben den gestiegenen Kosten, die nicht vollständig weitergegeben werden, leiden Unternehmen weiterhin unter der angespannten Lieferkettensituation. Auch Personalmangel schlägt auf das Geschäft. 

Schon im letzten Geschäftsjahr war der Zinsanstieg für die Unternehmen spürbar. Bei BMW (WKN: 519000 ; ISIN: DE0005190003) stiegen die Finanzierungskosten um die Hälfte auf 521 Millionen EUR, während sich die Finanzverbindlichkeiten dort sogar um 14,5 Prozent verringerten. Vonovia (WKN: A1ML7J ; ISIN: DE000A1ML7J1) verzeichnete Zinskosten pro Anleihe in Höhe von 2,99%. Im Vorjahr lagen diese Kosten noch bei 0,63%. Der Vorstand reduzierte deshalb die Summe der Darlehen um 13,3 Prozent auf 18,7 Milliarden Euro und das Anleihegeschäft um zwei Drittel. Bauprojekte wurden auf Eis gelegt. Und auch im Einzelhandel drohen Risikoaufschläge. Viele Unternehmen planen bereits einen Personalabbau. Liquiditätsmanagement und die Verringerung von Investitionen rücken in den Fokus. 

Auch Lieferanten sind betroffen. Eon (WKN: ENAG99 ; ISIN: DE000ENAG999) weitete seine Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen auf 5,5 Milliarden Euro aus, tilgte aber auch Schulden in Höhe von acht Milliarden EUR. Die Deutsche Telekom (WKN: 555750 ; ISIN: DE0005557508) gab 2022 nur noch 22,3 Milliarden EUR, statt 27,4 Milliarden EUR aus. 

Positive Folgen hat die Zinswende allerdings hinsichtlich der Pensionskassen. So reduzierte die Deutsche Post aufgrund der Zinsen weitere Finanzschulden und tilgte Schulden in Höhe von drei Milliarden EUR. Da sich das Vermögen in den Pensionsrückstellungen durch die Zinsen selbst vervielfacht, ist zunehmend ein geringerer Grundbetrag vonnöten. Auch andere Unternehmen wie RWE oder Bayer profitieren von diesen neuen Entwicklungen und können ihre Pensionsrückstellungen verringern.

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