Zum Inhalt springen
MarketWorld
MarketWorld
Daimler
WKN 710000

Elektroauto-Ziele verfehlt: Mercedes überdenkt Strategie

Die Umstellung von traditionellen Verbrennungsmotoren auf Elektroantriebe stellt für Mercedes-Benz eine Herausforderung dar.

Der weltweite Verkauf, besonders auf dem profitablen Markt in China, hat für den Konzern aus Stuttgart an Dynamik verloren. Die Zeitschrift Auto Motor Sport hat die Situation kürzlich so zusammengefasst: “Die hochpreisigen Elektrofahrzeuge von Mercedes finden keinen Anklang. Der damals für die Entwicklung zuständige Vorstand ist mittlerweile zum CEO aufgestiegen”, wobei sich dies auf den aktuellen Vorstandsvorsitzenden Ola Källenius bezieht.

Ein wesentlicher Faktor für die derzeit noch ausbleibenden Verkaufszahlen von Elektrofahrzeugen sind laut Studien die zu hohen Anschaffungskosten.

Laut internen Plänen wollte Mercedes-Benz im Jahre 2023 mehr als 20 Prozent seines Absatzes mit vollelektrischen Autos erzielen. Insgesamt wurden jedoch nur zwölf Prozent an PKWs mit Stromanteil ausgeliefert. Damit ist das Unternehmen bei den Elektroverkäufen um mindestens 168.000 Autos unter Plan, wie es in Konzernkreisen heißt. Mercedes-Chef Ola Källenius musste sich deswegen im Aufsichtsrat zuletzt scharfe Kritik anhören. Er zieht nun die Konsequenzen und legt seine Electric-only-Strategie ad acta. Anstatt weiterhin das Ziel zu verfolgen, ab 2030 ausschließlich vollelektrische Neuwagen zu verkaufen, rechnet der Manager nun damit, dass der Anteil von rein elektrischen Fahrzeugen und Plug-in-Hybriden bis zum Ende des Jahrzehnts höchstens die Hälfte des Gesamtumsatzes ausmachen wird. 

Verbrenner-Modelle feiern Renaissance

Insiderberichten zufolge werden wichtige Verbrenner-Modelle wie die S-Klasse, E-Klasse, GLC und GLE voraussichtlich um zwei bis drei Jahre länger auf dem Markt bleiben als ursprünglich geplant - möglicherweise bis zu zehn Jahre anstelle der üblichen sieben Jahre. Konzernchef Källenius erklärte am Donnerstag, dass Mercedes zwar langfristig weiterhin auf CO2-Neutralität abziele. Doch die Umstellung der Antriebstechnologie verlaufe nicht linear, sondern sei von Höhen und Tiefen geprägt, ähnlich einer Achterbahnfahrt. „Wir brauchen taktische Flexibilität“, so eine häufig verwendete Formulierung von Källenius derzeit. Er betonte, dass Mercedes gut positioniert sei, jedoch vor sechs Jahren optimistischer in Bezug auf die Entwicklung der Elektromobilität gewesen sei.

Lieferengpässe und Inflation sorgen für wirtschaftlichen Rückgang

Zudem verzeichnete der Autohersteller im vergangenen Geschäftsjahr einen Rückgang der Geschäftsergebnisse: Lieferengpässe bei wichtigen Modellen und ein anspruchsvolles wirtschaftliches Umfeld führten zu einem Rückgang des Betriebsergebnisses (EBIT) von Mercedes-Benz um vier Prozent auf 19,7 Milliarden Euro, während der Umsatz leicht auf 153,2 Milliarden Euro stieg, wie der DAX-Konzern am Donnerstag bekannt gab. Auch ist die Rendite in der Hauptsparte PKW um zwei Prozentpunkte auf 12,6 Prozent zurückgegangen, während gleichzeitig im Van-Sektor der Gewinn um über 60 Prozent in die Höhe schnellte. Die Marge konnte von elf Prozent auf 15,5 Prozent zulegen. „Wir haben unsere Transformation im Jahr 2023 erfolgreich fortgesetzt“, so Mercedes-Chef Källenius.

Die Produktionsprobleme des Zulieferers Bosch mit 48-Volt-Systemen für Verbrennungsmotoren führten bei Mercedes zu Verzögerungen in der Produktion wichtiger Modelle wie dem GLC und der E-Klasse. Die Auslieferung von etwa 100.000 Autos musste auf das Jahr 2024 verschoben werden. Es ist unklar, wie viele Kunden diese Verzögerung akzeptieren oder ihre Bestellungen stornieren werden. Bosch-Chef Hartung versicherte kürzlich, dass Fortschritte bei der Behebung des Lieferproblems gemacht würden. Dennoch dürften die fehlenden Teile laut Finanzchef Harald Wilhelm auch im ersten Halbjahr noch das Ergebnis von Mercedes belasten. Bosch und Mercedes führen auf Vorstandsebene Gespräche über den “48-Volt”-Fall. Ob Bosch für den entstandenen Schaden haftbar gemacht wird, steht noch aus.

Aktienrückkäufe in Milliardenhöhe

Außerdem seien Aktienrückkäufe im Milliardenbereich geplant, Mercedes übertraf insgesamt die Erwartungen der Analysten. Laut Daten von LSEG hatten sie im Durchschnitt ein EBIT von 18,8 Milliarden Euro und ein Konzernergebnis von 13,7 Milliarden Euro prognostiziert. Unter dem Strich verzeichnete der Stuttgarter Konzern einen Gewinn von 14,5 Milliarden Euro, was einem Rückgang von zwei Prozent im Vergleich zu 2022 entspricht. Die Dividende für das abgelaufene Geschäftsjahr soll bei 5,30 Euro je Aktie liegen, nach 5,20 Euro im Vorjahr. Die Mitarbeiter sollen eine Ergebnisbeteiligung von bis zu 7300 Euro erhalten.

Nachdem die Aktie im Oktober des letzten Jahres einen Rückgang verzeichnete, hat sie sich zwar leicht erholt, befindet sich jedoch noch deutlich unter dem 52-Wochen-Hoch von 76,10 Euro im Juni 2023. Angesichts des schwierigen Marktumfelds sind die Märkte verunsichert. Um den Aktienkurs zu stützen, setzt Mercedes-Benz sein Aktienrückkaufprogramm fort und plant, eigene Aktien im Wert von drei Milliarden Euro zurückzukaufen. 

Diese Maßnahme soll an das vor einem Jahr gestartete Rückkaufprogramm über vier Milliarden Euro anknüpfen und bis spätestens Juli 2025 abgeschlossen sein, wie Mercedes am Mittwochabend bekannt gab. Dadurch würde das gesetzlich auf zehn Prozent beschränkte Volumen ausgeschöpft. Über den Rahmen dieses Rückkaufprogramms hinausgehende Aktienrückkäufe müssten von der Hauptversammlung 2025 genehmigt werden. Der Autohersteller plant insgesamt, Aktien im Wert von sieben Milliarden Euro zurückzukaufen. Die Aktie von Mercedes reagierte am Donnerstag mit einem Kursanstieg von über vier Prozent auf gut 71 Euro.

Restrukturierung des Konzerns

Mercedes fokussiert sich unter der Führung von Konzernchef Källenius auf die Steigerung der Marge statt des Absatzvolumens. Seit seinem Aufstieg zum Konzernchef Mitte 2019 erhielt er vom Aufsichtsrat den klaren Auftrag, den stagnierenden Börsenwert zu steigern. Gemeinsam mit Finanzvorstand Harald Wilhelm hat er den Konzern dafür umfassend restrukturiert.

Die LKW-Sparte wurde unter dem Namen Daimler Truck ausgegliedert, das unrentable Geschäft mit Mobilitätsdiensten wurde verkauft, und es wurden Tausende Stellen gestrichen. Weniger profitablere Baureihen wie die A-Klasse und B-Klasse werden nicht mehr weitergeführt. Källenius und Wilhelm setzen auf die Steigerung der Marge statt auf reine Absatzzahlen. Mercedes soll sich zu einem Luxuskonzern entwickeln und die Fahrzeugflotte auf rein elektrische Antriebe umstellen.

Im Zeitalter der Elektromobilität gestaltet sich dies als Herausforderung: Fast neun von zehn neuen Mercedes-Fahrzeugen sind nach wie vor mit einem Ottomotor oder einem Dieselmotor ausgestattet. Das erste Elektro-SUV der Marke, der EQC, wurde aufgrund mangelnder Nachfrage eingestellt. Die batteriebetriebenen Nachfolgemodelle EQA und EQB unterscheiden sich technisch zu wenig von der Konkurrenz.

Insbesondere bei Spitzenlimousinen wie dem EQE und EQS stoßen potenzielle Kunden auf Probleme wie das abgerundete Design und den begrenzten Platz auf der Rückbank. Dies hatte insbesondere in der Volksrepublik China negative Auswirkungen, wo die meisten Fahrzeughalter einen Chauffeur haben und daher hinten sitzen.

Bereits zwei Jahre nach der Markteinführung der Elektro-Limousine kündigte Källenius an, den EQS im Sommer einer umfassenden Überarbeitung zu unterziehen. Das Modell soll wieder einen traditionellen Stern auf der Motorhaube tragen. Durch strukturelle Anpassungen soll auf der Rückbank mehr Platz geschaffen werden. Zudem wird die neue Variante mit einer verbesserten Batterie ausgestattet sein und eine Reichweite von 800 Kilometern bieten, sowie über einen neuen Hyperscreen verfügen. Mercedes wird daher wesentlich früher als geplant erhebliche Investitionen tätigen müssen, um den Verkauf des elektrischen Flaggschiffs wieder anzukurbeln.

Die Margen der Elektromodelle liegen bereits heute deutlich unter denen von Modellen mit Verbrennungsmotor. Aus diesem Grund plant der Konzern mittelfristig, weiterhin an Verbrennungsmotoren festzuhalten. Der durchschnittliche Verkaufspreis aller Modelle stieg im Jahr 2023 um zwei Prozent auf 74.200 Euro. Källenius setzt weiterhin auf eine Strategie mit höheren Preisen und will sich nicht an Preiskämpfen beteiligen. Interessanterweise hatte Mercedes jedoch bereits im Jahr 2023 die Preise seiner elektrischen Topmodelle deutlich gesenkt.

Fazit

Mercedes-Benz befindet sich in einer Phase der Neuausrichtung, insbesondere im Hinblick auf die Elektromobilität. Trotz ambitionierter Ziele und Strategien sind sie mit einigen Herausforderungen konfrontiert, darunter Produktionsprobleme, die Notwendigkeit einer Anpassung der Elektroauto-Strategie und die Überarbeitung von Modellen, um den Marktbedürfnissen gerecht zu werden. Dennoch zeigt das Unternehmen Entschlossenheit, durch Aktienrückkäufe und eine Fokussierung auf Margenverbesserungen seine Position zu stärken.

Beliebte Artikel

A0B733

Rohstoffe

Energieträger Wasserstoff

Stehen die nachhaltigen Brennstoffzellen vor einem Börsen-Boom? Warum führende Unternehmen kurz vor einer Renaissance stehen könnten.

Allgemeiner Risikohinweis

Die Daten, Mitteilungen und sonstigen Angaben, die auf dem Portal zu finden sind, dienen ausschließlich Informationszwecken. Alle Informationen und Daten stammen aus Quellen, die zum Zeitpunkt ihrer Erstellung nach presserechtlichen Gesichtspunkten als zuverlässig wahrgenommen wurden. Für die Aktualität, Richtigkeit, Angemessenheit und Vollständigkeit der zur Verfügung gestellten Informationen sowie für Vermögensschäden wird keinerlei Haftung oder Garantie übernommen.

Der Erwerb von Wertpapieren birgt Risiken, die zum Totalverlust des eingesetzten Kapitals führen können. Die auf Market World angebotenen Informationen und Nachrichten sind zu keinem Zeitpunkt als auf individuelle Bedürfnisse ausgerichtete fachkundige Anlageberatungen anzusehen. Die maßgeblichen Informationen können bei den herausgebenden Emittenten angefordert werden. Eine Haftung für Schäden aufgrund von Handlungen, die ausgehend von den auf dieser oder einer der nachfolgenden Seiten enthaltenen Informationen vorgenommen werden, entfällt.

MarketWorld
© 2024 Market World - Alle Rechte vorbehalten 3.1.4
ImpressumDatenschutz