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Börsen Einmaleins: “Bookbuilding-Verfahren”, “Roadshow” und “Erstnotiz” - so läuft ein “IPO”

Ein Börsengang, auch als “Initial Public Offering” (“IPO”) bekannt, ist ein komplexer und oft langwieriger Prozess, bei dem ein Unternehmen erstmals Aktien an einer Börse platziert. Dieser Vorgang wird im Englischen auch als “going public” bezeichnet.

Das Unternehmen, auch “Emittent” genannt, beschafft sich durch die Erstplatzierung von Aktien zusätzliches Eigenkapital, um Investitionen zu tätigen, neue Geschäftsfelder zu erschließen und das Wachstum voranzutreiben. Der Ablauf eines Börsengangs und die Preisfindung der neuen Papiere sind vielschichtig und erfordern die Unterstützung mehrerer Konsortialbanken, meist renommierte Investmentbanken wie “Goldman Sachs”, “JP Morgan” oder “Morgan Stanley”. Diese Banken schließen sich in einem Konsortium zusammen, um den gesamten Prozess zu begleiten. Da die neuen Aktien noch nicht an der Börse gehandelt werden, kann ihr Preis nicht einfach durch das klassische Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage auf dem Börsenparkett bestimmt werden. Stattdessen ermitteln Banken und Emittent den Preis außerbörslich, in der Regel durch das sogenannte “Bookbuilding-Verfahren” (deutsch: “Orderbuch-Verfahren”). 

Im Rahmen dieses Verfahrens führen die Banken und der Emittent Gespräche mit großen institutionellen Investoren, um deren Interesse, Preisvorstellungen und Investitionsbereitschaft auszuloten. Ziel ist es, ein realistisches Bild der Nachfrage zu erhalten. Häufig werden auch sogenannte “Roadshows” durchgeführt, eine Art Verkaufsveranstaltung für institutionelle Investoren, um deren Interesse zu wecken und sie für eine Investition zu begeistern. Basierend auf diesen Informationen erstellen Banken und Emittent eine Preisspanne für den Ausgabepreis, die in der Regel zehn bis 15 Prozent differieren kann.

Es folgt die sogenannte “Zeichnungsperiode”, die üblicherweise acht bis zehn Tage dauert. In dieser Phase können institutionelle und manchmal auch private Investoren Gebote abgeben, in denen sie die Anzahl der Aktien, die sie zeichnen möchten, sowie den maximalen Preis pro Aktie, den sie zu zahlen bereit sind, angeben. 

Sollten nicht genügend Anfragen eingehen, besteht für den Emittenten die Möglichkeit, die Preisspanne zu senken. Übersteigt die Nachfrage hingegen das Angebot, wird die Zuteilung der neuen Wertpapiere entweder per Losverfahren oder nach einem bestimmten Schlüssel vorgenommen. Bei der Anwendung eines Schlüssels verteilen die Banken die Orders so unter den Bietern, dass eine möglichst positive spätere Kursentwicklung wahrscheinlich ist. Dabei werden oft institutionelle Investoren bevorzugt, die beabsichtigen, die Aktien langfristig zu halten, während kurzfristig orientierte Investoren, die die Papiere möglicherweise noch am selben Tag oder kurz darauf wieder verkaufen wollen, eher nachrangig behandelt werden.

In Bankenkreisen gilt die Faustregel, dass mindestens doppelt so viele Orders eingegangen sein sollten, wie Aktien im Angebot sind, damit der “IPO” als Erfolg gewertet werden kann. 

Bei besonders attraktiven Aktien sind die Orderbücher oft vielfach überzeichnet. Nach Ablauf der Zeichnungsfrist legen Banken und Emittent auf Basis der eingegangenen Nachfrage den endgültigen Ausgabepreis fest. Dieser Preis spiegelt die vermutete oder erhoffte Bewertung des Unternehmens zum Zeitpunkt des “IPOs” wider und ist der erste Anhaltspunkt dafür, wie viel Kapital das Unternehmen durch den Börsengang einnehmen kann.

„Bell Ringing Ceremony“: Am Tag des Börsengangs wird der Handel durch das Läuten der Börsenglocke eröffnet und so im Handelssaal präsentiert.

Am Tag des Börsengangs, wenn die Aktien offiziell an der Börse gelistet werden und die traditionelle Börsenglocke geläutet wird, unterscheidet man zwischen dem “Ausgabepreis” und der “Erstnotiz”. Die “Erstnotiz” ist der Eröffnungskurs bzw. Marktpreis am ersten Börsentag. Dieser Kurs wird im Handel aus den vorliegenden Kauf- und Verkaufsangeboten ermittelt und richtet sich somit direkt nach der aktuellen Marktnachfrage. Es ist nicht ungewöhnlich, dass die “Erstnotiz” von den Erwartungen abweicht und unter dem “Ausgabepreis” liegt. 

Der Erfolg eines “IPOs” und die Aufnahme neuer Papiere sind durch den Markt keineswegs garantiert. Wie bei vielen Vorgängen an der Börse spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle, die den Kursverlauf nach dem Börsengang beeinflussen können - etwa die Marktstimmung und makroökonomische Faktoren:

Wirtschaftswachstum oder -rückgang können zum Beispiel großen Einfluss auf den Kurs haben. Eine positive wirtschaftliche Stimmung führt oft zu steigenden Kursen, während Rezessionen oder Unsicherheiten die Aktienkurse drücken können. Steigende Zinsen können das allgemeine Interesse an Aktien mindern, da Anleihen attraktiver werden. Eine hohe Inflation kann den Kurs negativ beeinflussen, da sie die Kaufkraft und Gewinnspannen von Unternehmen verringern kann. Aber natürlich spielen auch immer unternehmensspezifische Faktoren eine Rolle, zum Beispiel das jeweilige Geschäftsmodell und die Branchenzugehörigkeit des Unternehmens. Unternehmen, die etwa in schnell wachsenden Branchen tätig sind, wie Technologie oder erneuerbare Energien, haben oft bessere Wachstumsaussichten und eine höhere Kursvolatilität.

Schlüsselindikator für den Erfolg an der Börse

Die tatsächliche finanzielle Entwicklung des Unternehmens nach dem “IPO” (Umsatz, Gewinn, Margen) ist ein Schlüsselindikator für den Erfolg an der Börse. Positiv stimmende Prognosen oder Entwicklungen können den Kurs steigern, während negative Aussichten ihn belasten. Wenn viele Investoren gleichzeitig kaufen wollen, aber nur wenige Aktien verfügbar sind, kann der Kurs stark steigen. Oft gibt es nach dem “IPO” eine sogenannte “Lock-up-Periode”, während der bestehende Aktionäre, wie Insider und Risikokapitalgeber, keine Aktien verkaufen dürfen. Wenn diese Periode endet, kann ein verstärktes Angebot an Aktien den Kurs drücken.

Überbewertung oder Unterbewertung?

Wenn ein “IPO” zu hoch bewertet ist, könnten Investoren schnell verkaufen, was den Kurs drückt. Umgekehrt kann eine Unterbewertung zu einem starken Anstieg nach dem Börsengang führen. Die Performance anderer “IPOs” oder Aktien aus ähnlichen Sektoren kann Investoren beeinflussen, wie sie den neuen Börsengang einschätzen.

In Phasen hoher Risikobereitschaft fließt zum Beispiel mehr Kapital in “IPOs” und Aktienmärkte, während in risikoscheuen Phasen der “IPO-Markt” schwächer abschneiden kann.

Positiver Newsflow

Eine starke Medienaufmerksamkeit und ein positiver Newsflow können im Finanzsektor zu größerem Interesse und Kursgewinnen führen. Hier kommen auch positive oder negative Bewertungen von Finanzanalysten ins Spiel, die oft das Vertrauen und Verhalten von Investoren beeinflussen. Und natürlich können auch regulatorische und politische Faktoren eine Rolle spielen: Änderungen in Steuergesetzen etwa, Regulierungen oder politische Unsicherheiten (z. B. Wahlen) können Einfluss auf die Kursentwicklung nehmen, insbesondere wenn das Unternehmen stark regulierten Branchen angehört. Genauso können markttechnische Indikatoren den Kurs beeinflussen. Manchmal reagieren Aktienkurse auch auf technische Indikatoren wie Widerstandsniveaus, Volumenmuster oder gleitende Durchschnitte, was Trader zu Käufen oder Verkäufen motiviert.

Die Kombination dieser Faktoren macht den Kursverlauf nach einem Börsengang oft unvorhersehbar und volatil. Langfristig spiegeln sich aber meist fundamentale Unternehmensdaten im Aktienkurs wider. Diese sind meist ein guter Gradmesser für oder gegen einen Trade.

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