Das neue Werk in Ungarn: BMW steht vor immensen Herausforderungen
Trotz der Krise in der deutschen Autoindustrie investiert BMW massiv in ein neues Werk in Debrezin, Ungarn.
Im Osten Ungarns, in der Hauptstadt der ungarischen Nördlichen Großen Tiefebene, Debrezin, das vor allem bekannt für seine scharfen Würstchen ist, baut “BMW” ein neues Werk für ein neues Produkt mit komplett neuen Prozessen.
Der Produktionsstart für Autos lässt allerdings noch auf sich warten. Erst im nächsten Jahr will “BMW” das neue Elektro-SUV vorstellen, das ab Ende 2025 in Debrezin in großen Mengen gefertigt werden soll. Mit dem neuen Werk in Ungarn geht “BMW” eine große Wette auf den Markt ein, der derzeit vor vielen Hürden steht. Obwohl die Nachfrage nach Elektroautos hinter den Prognosen zurückbleibt und “Audi” sowie “VW” Werke schließen wollen, setzt “BMW” auf eine signifikante Erweiterung seiner Kapazitäten. Mit einer Investition von etwa zwei Milliarden Euro errichtet “BMW” in Ungarn ein Werk, das jährlich bis zu 150.000 Elektroautos herstellen kann. Die Infrastruktur lässt jedoch Raum für eine Verdopplung der Produktionskapazität.
Debrezin markiert für “BMW” einen Neustart.
Die „Neue Klasse“ ist eine eigens entwickelte Plattform für Elektrofahrzeuge, die im Zentrum der Zukunftsstrategie des Unternehmens steht. Während das Werk in Ungarn entsteht, wird auch das Münchener Stammwerk komplett umgebaut, um ab 2026 die Limousinen der „Neuen Klasse“ zu fertigen. Diese Anpassung erfolgte auf Druck der Arbeitnehmer, denn mit den deutlich niedrigeren Lohnkosten in Ungarn muss München zumindest technologisch wettbewerbsfähig bleiben. “BMW” treibt seine Expansion voran, obwohl das Unternehmen in der Elektromobilität lange als zurückhaltend galt. Im Gegensatz zu “VW”, “Audi” und “Mercedes” hat sich BMW-Chef Oliver Zipse bisher geweigert, ein konkretes Ausstiegsdatum für Benzin- und Dieselantriebe festzulegen – was ihm einiges an Spott eingebracht hat.
“BMW” fertigt Autos mit Verbrennungsmotoren und Elektroantrieben auf denselben Produktionslinien, um Kosten zu reduzieren und die Auslastung zu maximieren. Andere Hersteller hingegen haben eigens neue Produktionslinien für Elektrofahrzeuge eingerichtet. Die Rechnung geht bislang auf. Im Gegensatz zu den Wettbewerbern geht “BMW” davon aus, die EU-Klimaziele für Autohersteller im nächsten Jahr zu erreichen. Obwohl “BMW” seine Elektrofahrzeuge aus vorhandenen Modellen entwickelt, liegen die Verkaufszahlen der Stromer deutlich über denen von “Audi” und “Mercedes”.
“BMW” überholte im Juli erstmals “Tesla” in Europa
Mit dem Werk in Debrezin geht “BMW” nun ein höheres Risiko ein. Bei positivem Verlauf wird “BMW” den Abstand zur Konkurrenz vergrößern, bei negativem Verlauf könnte die heutige Kapazitätserweiterung dem Konzern eines Tages teuer zu stehen kommen. “BMW” verfügt schon jetzt mit den Werken in München, Regensburg, Dingolfing und Leipzig über mehr Produktionsstandorte in Europa als jeder andere Hersteller.
Debrezin ist eines der frühen Projekte von Oliver Zipse. In seiner Rolle als Produktionsvorstand setzte er sich für ein weiteres Werk ein, um die massiven Investitionen in China besser auszugleichen. Als “BMW” 2018 Debrezin den Zuschlag erteilte, waren die Wachstumsprognosen sowohl in China als auch in Europa positiv. Über 50 Standorte standen zur Auswahl, doch letztlich fiel die Wahl auf die Universitätsstadt im Osten Ungarns. Während “Audi” seit über drei Jahrzehnten in der westungarischen Stadt Györ produziert und “Mercedes” im südlichen Kescemet aktiv ist, war Debrezin bisher vor allem für Landwirtschaft und Wurstspezialitäten bekannt.
Corona-Pandemie und Tesla erforderten in Debrezin eine Anpassung der Strategie
Kurz nach Baubeginn stoppte “BMW” die Milliardeninvestition in Ungarn. Auch der eigentliche Nutzen der Fabrik stand plötzlich zur Diskussion, da Debrezin ursprünglich für die Produktion von Verbrennungsmotoren vorgesehen war. Das schnelle Wachstum von “Tesla” machte jedoch einen Strategiewechsel notwendig.
Anfang 2020 veranlasste Zipse die Entwicklung der „Neuen Klasse“, da “BMW” in Zukunft nicht allein auf umgerüstete Verbrenner setzen kann. Das Projekt wurde bald umfassend: mit neuen Batterien, frischer Software, einem überarbeiteten Design und neuen Produktionsverfahren. “Nvidia” ist nun erstmals beteiligt und entwickelt einen digitalen Zwilling der Fabrik, um “BMW”s Effizienz erheblich zu verbessern. Auch Ungarn tut viel für seine großen Investoren. Neben “Audi”, “Mercedes” und “BMW” entsteht hier auch eine Elektroauto-Fabrik des chinesischen Herstellers “BYD”. Darüber hinaus bauen im Raum Debrezin die chinesischen Anbieter “CATL” und “EVE” zwei gigantische Batteriefabriken, um “BMW” zu beliefern.
Ungarn wird zu einem wichtigen Standort für die Herstellung von Elektroautos.
Ungarns „illiberale Demokratie“ unter Viktor Orban versteht es wie kein anderes europäisches Land, deutsche und chinesische Unternehmen durch Subventionen und Zusagen anzuziehen. Laut der staatlichen Investmentagentur “Hipa” sind mehr als 700 Automobilfirmen mit über 150.000 Arbeitsplätzen in Ungarn ansässig. Weder die hohe Inflation noch Orbans enge Verbindung zu Wladimir Putin, der seit über zwei Jahren die Ukraine angreift, schrecken Investoren ab. Das von der EU angestrengte Verfahren wegen Korruption, Defiziten in der Rechtsstaatlichkeit und eingeschränkter Medienfreiheit hat bisher wenig Einfluss auf den Standort. Die EU hält weiterhin zwanzig Milliarden Euro an Hilfszahlungen aus dem Corona-Wiederaufbaufonds zurück, die Ungarn eigentlich zustehen würden.
Die Attraktivität von Ostungarn nimmt zu
Die Ansiedlung ist Teil der Strategie, die wirtschaftliche Entwicklung im Osten Ungarns zu fördern. “BMW” hebt die Professionalität hervor, mit der die Ungarn das Investitionsprojekt vorantreiben. Das Unternehmen erhält neben einer nicht genannten finanziellen Unterstützung auch neue Straßen und einen Bahnanschluss direkt zum Werk. Debrezin bietet außerdem eine deutsche und internationale Schule, und Einzelhändler wie “Lidl”, “Rossmann” und “Media Markt” sind ebenfalls schon vor Ort. Im Gegenzug gibt “BMW” der Region natürlich einen kräftigen Auftrieb. Vor ein paar Jahren verließen noch acht von zehn Universitätsabsolventen die Region nach ihrem Studium.
Arbeitskräftemangel wird zur unerwarteten Herausforderung
Der Arbeitsmarkt entwickelt sich jedoch zu einer Herausforderung für “BMW” und seine Zulieferer. Ukrainische Fachkräfte fallen aufgrund des Krieges aus, und die rumänischen Nachbarn, obwohl EU-Partner, dürfen nicht ohne Weiteres in Ungarn arbeiten. Für die Regierung steht die ungarische Arbeiterschaft an erster Stelle, weshalb das Parlament das bislang strengste Einwanderungsgesetz verabschiedet hat. Aus diesem Grund werden Aufenthalts- und Einreisegenehmigungen nur befristet, und unter Auflagen erteilt und ausländische Gastarbeiter sollen nicht den ungarischen Arbeitskräften vorgezogen werden. Aus diesen Gründen gilt der Arbeitsmarkt rund um Debrezin als nahezu erschöpft. Um für die Fabrik neue Arbeitskräfte zu gewinnen, setzt “BMW” inzwischen einen Bewerberbus ein, der durch das ganze Land fährt. Auch ohne umfangreiche Vorkenntnisse sollen nun neue Mitarbeiter eingestellt werden.
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