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Gold: Geheimnisvolle Preisrallye

Der massive Ankauf von Gold und seine Gründe.

Die Preise für Gold klettern unaufhörlich nach oben, ohne Anzeichen einer Verlangsamung. Doch was treibt diese ungewöhnliche Preisrally voran und kann mit einer Fortsetzung gerechnet werden? 

Innerhalb von vier Tagen erreichte Gold kontinuierlich neue Höchststände und steht nun bei einem Rekordpreis von etwa 2195 US-Dollar pro Unze. Experten zufolge ist die wachsende Hoffnung auf sinkende Zinsen ein treibender Faktor, aber nicht der einzige Grund für diese Entwicklung. Sie verweisen auf eine Vielzahl unterschiedlicher Ursachen und prognostizieren, dass die Preise mittelfristig weiter steigen könnten, auch wenn kurzfristig mit einer Marktkorrektur zu rechnen ist.

Nicht nur Gold, sondern auch Bitcoin profitieren von der Erwartung, dass die Zinsen bald gesenkt werden könnten, und erreichte kürzlich mit 70.175 Dollar ein Allzeithoch. Eine ähnliche Tendenz im Investitionsverhalten bei Gold und Bitcoin war in den letzten Tagen feststellbar.

In der Regel fördern erwartete Zinssenkungen den Goldpreis, da hohe Zinsen Gold im Vergleich zu anderen sicheren Anlagen wie US-Anleihen weniger attraktiv machen, weil es keine laufenden Erträge generiert.

Hintergrund dieser Erwartungen sind Aussagen von US-Notenbankchef Jerome Powell und der Präsidentin der Europäischen Zentralbank, Christine Lagarde, die Zinssenkungen in naher Zukunft in Aussicht stellten. Diese Äußerungen bestätigten größtenteils die Erwartungen der Anleger.

Viele Goldmarktbeobachter grübeln über die vielfältigen Faktoren, die zu dieser Rekordjagd geführt haben könnten. Laut Giovanni Staunovo, Analyst bei UBS, gibt es diesmal keinen offensichtlichen Auslöser. Was also liegt der Rallye zugrunde? Wer kauft momentan in großem Umfang Gold und aus welchen Gründen? 

Hier einige Antworten auf drängende Fragen:

Chinas Goldhunger

Die physische Nachfrage spielt diesmal eine herausragende Rolle beim Anstieg des Goldpreises, wie Nitesh Shah, Direktor für Rohstoff- und Makrostrategie bei Wisdomtree, hervorhebt. Mit hohen Einfuhrzahlen in China und einem beispiellosen Kaufvolumen durch die Zentralbanken in den letzten zwei Jahren, sticht dieser Faktor deutlich hervor.

Shah spekuliert, dass die Dynamik der Zentralbankankäufe möglicherweise über die nächsten zehn bis zwanzig Jahre anhalten könnte. Er argumentiert, dass die Zentralbanken in Schwellenländern verglichen mit denen der G7-Staaten noch einen erheblichen Nachholbedarf in Bezug auf ihre Goldreserven haben. Des Weiteren dienen diese Käufe als eine strategische Sicherheitsmaßnahme gegen potenzielle Sanktionen von G7-Staaten, da Gold es ermöglicht, trotz Sanktionen liquide zu bleiben.

Bisher galt die physische Nachfrage sowohl von privaten Anlegern als auch von Zentralbanken als nachrangig für die Preisbildung von Gold. Jetzt könnte sie jedoch eine primäre Rolle einnehmen. Der World Gold Council (WGC) berichtet, dass Zentralbanken bereits zu Beginn des Jahres bedeutende Mengen an Gold gekauft haben, mit einem Nettozuwachs von 39 Tonnen im Januar, was mehr als eine Verdoppelung im Vergleich zum Dezember darstellt. Die genauen Zahlen für Februar sind noch ausstehend, aber allein die chinesische Zentralbank hat zwölf Tonnen zusätzlich erworben, und die indische fast fünf Tonnen.

Adrian Ash, der Forschungsleiter bei Bullionvault, bestätigt, dass die Zentralbankkäufe und die starke physische Nachfrage aus China und Indien den Goldpreis maßgeblich unterstützt haben. John Reade, Chefmarktstratege beim World Gold Council, nimmt eine etwas nuanciertere Sichtweise ein. Während die Nachfrage chinesischer Haushalte zu Beginn des Jahres stark war, verlangsamte sich diese, als der Goldpreis im März sprunghaft anstieg, wobei Reade die Terminmärkte in den USA als unmittelbaren Auslöser für den Preisschub ansieht.

Spekulationen im Terminhandel

John Reade berichtet, dass sich die Anzahl sogenannter offener Futures-Verträge an der Comex in New York, mit denen Akteure auf künftige Goldpreise setzen, innerhalb einer Woche um etwa 80.000 erhöht hat. Dies entspricht einem Goldvolumen von circa 240 Tonnen. Ein gleichzeitiger Anstieg sowohl der offenen Kontrakte als auch des Goldpreises weist laut Reade darauf hin, dass vermehrt auf Preissteigerungen spekuliert wird, indem neue Long-Positionen aufgebaut werden.

Futures sind Vereinbarungen, bei denen sich der Verkäufer verpflichtet, eine festgelegte Menge eines Gutes zu einem bestimmten Zeitpunkt und zu einem im Voraus bestimmten Preis zu liefern. Der Käufer verpflichtet sich entsprechend zum Erwerb dieses Gutes.

Giovanni Staunovo, ein Analyst bei der UBS, stimmt zu, dass Käufe von Zentralbanken generell den Goldpreis stützen, sieht aber den unmittelbaren Antrieb für die jüngsten Preissteigerungen im Aufbau von Long-Positionen und im Abbau von Short-Positionen im Futures-Markt.

Bei den sogenannten Short-Positionen leihen sich Anleger einen Vermögenswert wie Gold, um ihn sofort zu verkaufen, in der Hoffnung, ihn später zu einem niedrigeren Preis zurückkaufen zu können. Die Differenz zwischen dem Verkaufs- und dem Rückkaufspreis abzüglich einer Gebühr stellt den Gewinn dar.

Ein signifikanter Preisanstieg kann eintreten, wenn zahlreiche Akteure ihre Short-Positionen zeitgleich schließen. Dies könnte laut Nitesh Shah von Wisdomtree im Jahr 2023 geschehen sein, als die Wetten auf fallende Goldpreise zu einer Preiserholung führten, und nochmals, als der Goldpreis vorübergehend unter 2000 US-Dollar fiel. “Als der Preis wieder anzog, begannen die ersten Spekulanten, ihre Short-Positionen zu schließen, was zu weiteren Preissteigerungen führte”, so Shah.

Doch Adrian Ash von Bullionvault hinterfragt diese Annahme. Die Daten der CFTC zeigen, dass in der letzten Februarwoche die Marktteilnehmer an den Terminmärkten eher Long- als Short-Positionen eingingen.

Neueste CFTC-Daten belegen einen bemerkenswerten Anstieg der Long-Positionen von Fondsmanagern um mehr als 92 Prozent in der Woche vom 27. Februar bis zum 5. März, den stärksten prozentualen Anstieg seit Oktober. Trotz dieser Zunahme befinden sich die Netto-Long-Positionen, also der Saldo aus Long- und Short-Positionen, nur auf einem Höchststand der letzten neun Wochen.

Geopolitische Unsicherheiten

Zusätzlich zu den Zinserwartungen könnten geopolitische Spannungen zur Rallye beigetragen haben. Der Goldpreis reagierte zunächst mit einem Anstieg auf den Terrorangriff der Hamas auf Israel im Oktober 2023, stabilisierte sich jedoch anschließend wieder. Die anhaltenden Angriffe der Huthi-Rebellen im Roten Meer könnten bei Investoren zu einer Neubewertung der Lage und einer verstärkten Absicherung durch Goldkäufe geführt haben.

Während spekulative Händler an der Comex sich oft von technischen Indikatoren leiten lassen, verweist Alexander Zumpfe, ein Goldhändler bei Heraeus, darauf, dass der Durchbruch des Goldpreises über das vorherige Allzeithoch einen technischen Kaufimpuls ausgelöst hat. Die Verbindung zwischen fundamentalen Risiken und technischen Signalen scheint hier besonders eng zu sein.

Historische Muster und Reaktionen auf Krisenzeiten

Die Vergangenheit des Goldmarktes zeigt, dass das Erreichen neuer Allzeithochs über einen Zeitraum von mehreren Tagen ein relativ seltenes Ereignis ist, das in den letzten 55 Jahren insgesamt 33 Mal stattgefunden hat. Besonders bemerkenswert sind dabei Zeiträume wie das Frühjahr 1969, als aufgrund von Spekulationen um die Aufhebung der Gold-Dollar-Bindung die Preise anzogen. Weitere historische Beispiele für langanhaltende Höchstpreise sind die Ölpreiskrise 1973 und die Finanzkrise 2008, die beide zu einer verstärkten Zuflucht in Gold führten. Diese Ereignisse belegen, dass Gold vorrangig in Zeiten signifikanter geopolitischer oder wirtschaftlicher Unruhen als sicherer Hafen gesucht wird.

Der ungewöhnlich starke Preisanstieg im August 2020 während der globalen Pandemie weist darauf hin, dass neben den üblichen Treibern auch das Marktumfeld – in diesem Fall ein relativ geringes Handelsvolumen und große Handelspositionen, die den Preis beeinflussen konnten – eine Rolle spielt.

Analystenprognosen zum Goldpreis

Die Marktexperten Shah und der UBS-Analyst Staunovo deuten an, dass nach der jüngsten Preisrallye beim Gold kurzzeitig mit einer Marktbereinigung zu rechnen ist. Für die mittlere Frist jedoch erwarten sie einen Anstieg des Goldpreises. Shah prognostiziert einen Zielwert von 2210 US-Dollar je Unze bis zum Jahresende, während Staunovo ein noch höheres Niveau von bis zu 2250 US-Dollar für möglich hält.

Auch Ricardo Evangelista von Activtrades ist optimistisch und sieht weiteres Wachstumspotenzial: Nachdem die wichtige Marke von 2100 US-Dollar überschritten wurde, erscheinen ihm Preise von 2200 US-Dollar oder darüber realistisch. Der Händler Zumpfe von Heraeus erwartet, dass der Goldpreis in diesem Jahr möglicherweise eine Bandbreite von bis zu 2250 US-Dollar erreichen könnte, geht aber zunächst von einer Marktkonsolidierung aus, da der Markt aktuell als überkauft gilt.

Jörg Scherer, der Leiter der technischen Analyse bei HSBC Deutschland, sieht ebenfalls ein Potenzial für Goldpreise von bis zu 2250 US-Dollar pro Unze. Er merkt an, dass der Goldpreis sich nach einer kurzfristigen Korrektur nicht nur stabilisiert, sondern einen bedeutenden Aufwärtstrend verzeichnet hat, was die Stärke des ursprünglichen Aufwärtstrends unterstreicht.

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