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Tesla Motors Inc.
WKN A1CX3T

E-Auto-Aktien brechen ein

Der Boom der Elektromobilität hat zahlreiche Anleger in den Markt gelockt.

Aktuell führen ein nachgebender Markt und unternehmenseigene Schwierigkeiten allerdings zu einem starken Rückgang dieser Wertpapiere, was Investoren vor potenziellen Verlusten in Milliardenhöhe stellt.

Seit dem Höhepunkt des E-Auto-Booms im Jahr 2021 haben die Hersteller von Elektrofahrzeugen nahezu eine Billion US-Dollar an Börsenwert eingebüßt, wie Analysen des Handelsblatts offenlegen. Besonders betroffen sind die zehn führenden US-Produzenten wie “Tesla”, “Rivian” und “Lucid”, deren Marktwert von ursprünglich 1,5 Billionen Dollar auf derzeit weniger als 600 Milliarden gefallen ist. Unter Einbeziehung chinesischer Firmen wie “BYD”, “Xpeng” und “Nio” summiert sich der Wertverlust nahezu auf eine Billion Dollar.

Analyst Pal Skirta von der Bank “Metzler” bezweifelt, dass die Branche jemals wieder an die früheren Bewertungshöhen anknüpfen wird, als etwa das Start-up “Rivian” an der Börse höher bewertet wurde als der etablierte deutsche Autobauer Volkswagen. Er führt an: „Die Bewertungen basierten auf reiner Fantasie. Ich denke nicht, dass sie die früheren Multiples noch einmal erreichen können.“

Trotz strengerer Emissionsrichtlinien und großzügiger Förderungen lässt sich der Abwärtstrend bei den Aktienkursen der E-Auto-Hersteller nicht aufhalten. Die Leidtragenden sind die Anleger, die während der Hype-Phase investiert haben. Olaf Stotz von der “Frankfurt School of Finance & Management” warnt in diesem Zusammenhang: „Das ist ein Lehrbuchbeispiel für eine psychologisch getriebene Übertreibungsphase.“

Die Herausforderungen, mit denen sich die Automobilhersteller am Aktienmarkt konfrontiert sehen, verdeutlicht eine Meldung von vor zwei Wochen. Am Mittwoch präsentierte die US-Umweltschutzbehörde “EPA” ihre neuen Emissionsrichtlinien für den Sektor, ein Moment, den viele Fans von Elektroautos sehnsüchtig erwartet hatten. Laut diesen Vorgaben müssen bis zum Modelljahr 2030 zwischen 31 und 44 Prozent aller neu verkauften Fahrzeuge reine Elektroautos sein. Diese Ankündigung kam den Aktienkursen von Elektroautoherstellern wie “Tesla” und “Rivian” zugute. Doch interessanterweise verzeichneten die Aktien traditioneller Autobauer wie “Ford” und “GM” noch größere Gewinne. Experten führen dies darauf zurück, dass die Lobbyarbeit dieser Unternehmen erfolgreich war. Noch vor einem Jahr hatte die “EPA” einen Elektrofahrzeuganteil von 60 Prozent für das Jahr 2030 in Betracht gezogen, jetzt wurden wesentlich moderatere Ziele festgelegt.

Dieses Szenario ist bezeichnend für die nachlassende Begeisterung rund um die Elektromobilität am Aktienmarkt. 

Seit Beginn des Jahres mussten “Tesla”-Aktien einen Wertverlust von nahezu 30 Prozent hinnehmen, seit dem Höchststand im November 2021 sogar fast 60 Prozent. Im Vergleich mit der gesamten Branche steht “Tesla” damit noch relativ stabil da. “Lordstown”, eines der vielen E-Auto-Start-ups, die in den letzten Jahren aufkamen, hat ebenso wie “Proterra” oder “Volta Trucks” Insolvenz angemeldet. “Fisker” kämpft aktuell gegen eine drohende Insolvenz, während seine Aktien dieses Jahr 99 Prozent ihres Wertes verloren haben.

Die Situation in China spiegelt ähnliche Entwicklungen wider: Die Aktien des Marktführers “BYD” liegen derzeit 39 Prozent unter ihrem Höchststand von Juni 2022. Die Aktien von “Nio” und “Xpeng” haben in Hongkong jeweils mehr als 80 Prozent an Wert verloren.

Stotz, ein Professor für Asset Management, sieht in dem Verhalten der Anleger einen klassischen Fehltritt auf einem Boommarkt „mit einem Produkt, das jeder kennt und auch noch staatlich gefördert wurde“.

Der Irrtum der Anleger bei E-Auto-Aktien

Stotz führt aus, dass die Anleger während der Begeisterungswelle für Elektroautos in den Jahren 2021 und 2022 die Wachstums- und Profitperspektiven der neuen Hersteller überbewertet hätten, was zu einer Überhitzung des Aktienmarktes führte.

Er erklärt, dass solche Enthusiasmuswellen einem wiederkehrenden Muster folgen: Anfangs gibt es eine Neuerung und sogenannte Pioniere, die frühzeitig davon profitieren. Diese Firmen wachsen rasant. In solchen Zeiten würden Anleger Informationen nur noch selektiv aufnehmen, d.h., sie beachten vorrangig jene Nachrichten, die ihre Markteinschätzung unterstützen. Die Entwicklung der Vergangenheit wird weit in die Zukunft projiziert, was die Aktienkurse und Bewertungen auf unrealistische Höhen treiben kann. Doch häufig folgt darauf ein abruptes Erwachen: Zum einen zieht der Erfolg der Start-ups Wettbewerber an, deren Konkurrenz die hohen Erwartungen nicht erfüllen kann. Zum anderen könnte das Interesse der Endkunden an den neuen Produkten nachlassen, sobald die Erstkäufer bedient sind. Beide Aspekte treffen auf den Markt für Elektrofahrzeuge zu. Insbesondere drei Probleme gilt es zu bewältigen:

Problem 1: Schwindende Margen bei den Herstellern

Beim Vorreiter “Tesla” hat sich das Gewinnwachstum zuletzt verlangsamt. Während das operative Ergebnis (Ebitda) in 2020 und 2021 sich noch verdoppeln konnte, fiel es im Jahr 2023 um 13 Prozent. Auch das Umsatzwachstum hat im Vergleich zu den Vorjahren an Dynamik verloren, das Gewinnwachstum wird schwächer. Für das Jahr 2024 hat “Tesla” bereits eine Korrektur der Verkaufsprognose vorgenommen.

In den letzten Jahren profitierte Tesla noch von seinem Status als Vorreiter in der Elektromobilität, was es dem Unternehmen ermöglichte, hohe Preise zu verlangen und dadurch seine Gewinnmargen zu verbessern. Allerdings locken hohe Margen vermehrt Konkurrenten an. Neuerdings drängen zunehmend etablierte Automobilhersteller wie “Ford”, “GM” und “VW” in den E-Auto-Markt in den USA.

Etablierte Hersteller besitzen laut Elizabeth Krear vom Analysehaus “J.D. Power” einen entscheidenden Vorteil gegenüber den reinen Elektroauto-Start-ups: Sie haben die Möglichkeit, ihre Ressourcen zwischen Verbrenner- und Elektrofahrzeugen zu verteilen, um sowohl regulatorischen Anforderungen gerecht zu werden als auch ihre Rentabilität zu maximieren.

Um den Verkauf anzukurbeln, hat “Tesla”2023 eine intensive Rabattaktion gestartet. Dies führte dazu, dass die operative Marge – also das Verhältnis von Betriebsergebnis zu Umsatz – auf etwa acht Prozent fiel. Im Jahr 2022 betrug diese noch über 17 Prozent. Damit erreicht “Tesla” nun eine Gewinnmarge, die sich im Bereich vieler traditioneller Hersteller bewegt, welche “Tesla” in der Vergangenheit deutlich überflügelt hatte. Zum Vergleich: “Ferrari” erreichte zuletzt eine operative Marge von 24 Prozent, während “VW” auf sieben Prozent kam.

Problem 2: Nachlassende Nachfrage

Die wachsende Konkurrenz stellt bereits eine erhebliche Herausforderung dar, doch es gibt weitaus bedenklichere Entwicklungen. Die Bewertungen E-Auto-Start-ups dürften nur unter optimalsten Bedingungen gerechtfertigt sein, und zwar, wenn die Kunden den Start-ups die Fahrzeuge buchstäblich aus den Händen reißen würden.

Doch die Wirklichkeit sieht natürlich anders aus: Der Markt für Elektroautos wächst wesentlich langsamer als vielfach erwartet. In den USA hat sich das zuvor teils explosive Wachstum spürbar abgeschwächt. Nach Daten von “Cox Automotive” verzeichnete der Verkauf elektrischer Fahrzeuge 2022 einen Anstieg um 66 Prozent, während das Wachstum im Jahr 2023 auf 46 Prozent zurückging.

Gemäß J.D. Power machten Elektroautos im Jahr 2023 trotz aller staatlichen Fördermaßnahmen nur etwas über acht Prozent des US-Fahrzeugmarktes aus. Sollte Donald Trump ins Präsidentenamt zurückkehren, könnten diese Subventionen sogar vollständig gestrichen werden. Diese finanziellen Anreize sind allerdings entscheidend, um Käufer, die noch zögern, zum Kauf eines Elektrofahrzeugs zu motivieren. Denn die Preise für Elektroautos sind nach wie vor hoch, und günstige Modelle sind selten zu finden. 

Für etablierte amerikanische Autobauer wie “GM” oder “Ford” stellt dies kein großes Problem dar. Sie berichten, dass Kunden eher zu den preiswerteren Verbrenner- und Hybridfahrzeugen tendieren als zu den Elektromodellen. Die traditionellen Hersteller können ihr Elektrofahrzeug-Geschäft durch den Verkauf von über Jahrzehnte entwickelten, profitablen Verbrennungsmotoren querfinanzieren. Diesen finanziellen Spielraum haben E-Auto-Start-ups nicht. Wenn das Marktwachstum nachlässt, stehen sie vor einem ernsthaften Problem.

Problem 3: Gesellschaftlicher und politischer Wandel

Analyst Skirta von “Metzler” stellt einen gesellschaftlichen und politischen Wandel fest, bei dem der Schwerpunkt zunehmend auf dem Erhalt von Wohlstand und der Versorgungssicherheit in der Energieversorgung liegt. Er merkt an, dass der Strommix auf absehbare Zeit nicht CO2-neutral sein wird, was viele Konsumenten zur Zurückhaltung bewegt. Sie fragen sich, warum sie ein Elektroauto kaufen sollten, wenn die Fahrt nur lokal CO2-neutral ist, global gesehen jedoch nicht. Das belastet vor allem E-Auto-Start-ups wie “Rivian” und “Lucid”, die an der Börse entsprechend “abgestraft” wurden.

Der Ausblick: Die langfristigen Perspektiven bleiben bestehen.

Die Entwicklungen verdeutlichen, dass Investoren, die mit Aktien von Elektroautoherstellern Gewinne erzielen wollten, idealerweise schon lange vor der allgemeinen Euphorie eingestiegen sein mussten. Frühzeitige Investoren in “Tesla” können sich trotz der bisher unerfüllten hohen Erwartungen aus dem Jahr 2021 über beachtliche Renditen freuen.

Die Marktexperten sind sich jedoch einig, dass langfristig an der Elektromobilität kein Weg vorbeiführt. 

Profitieren werden jene Hersteller, die den Übergang zur Elektromobilität erfolgreich bewältigen. Wer zu Beginn der 2030er-Jahre ein überzeugendes Elektroautoangebot präsentiert, könnte zu den Verkaufsschlagern zählen. Allerdings ist aktuell noch ungewiss, welche Hersteller sich letztlich durchsetzen werden – und ob alle E-Auto-Start-ups die Zwischenzeit überstehen.

Selbst beim Branchenführer “Tesla” halten sich die Kaufempfehlungen von Analysten derzeit in Grenzen: Von 49 Analysten empfehlen gemäß dem Finanzdienstleister “LSEG” nur 17 den Kauf. Ihr durchschnittliches Kursziel haben sie im Laufe dieses Jahres von 225 auf 193 Dollar gesenkt. Die meisten Start-ups haben inzwischen eine so geringe Marktrelevanz erreicht, dass die Analyse ihrer Aktien eingestellt wurde. 

Insbesondere “BYD” hat sich in diesem herausfordernden Umfeld stark behauptet und sogar “Tesla” als weltgrößten Hersteller von Elektrofahrzeugen abgelöst: Im Jahr 2023 verkaufte “BYD” fast so viele Elektro- und Hybridautos wie in den vorherigen fünf Jahren zusammen. Eine überwältigende Mehrheit von 30 der 32 Analysten, die von “LSEG” befragt wurden, empfehlen derzeit den Kauf von “BYD”-Aktien. Doch auch diese Aktie birgt spezifische Risiken. Zum einen konnte “BYD” seinen Gewinn aufgrund des intensiven Preiswettbewerbs am Markt zuletzt nur noch verlangsamt steigern. Zum anderen steht das Unternehmen im Vergleich zu seinen amerikanischen Wettbewerbern vor einer zusätzlichen Herausforderung: dem erheblichen staatlichen Einfluss in China.

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